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Meinung: Friedens-Nobelpreis: Eine noble Geste

Gunnar Berge, der Osloer Komiteechef für den Friedensnobelpreis, hat sich zu Recht sehr nachdenklich gezeigt. Da muss er sich zum Thema Krieg in Nahost äußern, während eigentlich der neue Preisträger im Vordergrund stellen soll.

Gunnar Berge, der Osloer Komiteechef für den Friedensnobelpreis, hat sich zu Recht sehr nachdenklich gezeigt. Da muss er sich zum Thema Krieg in Nahost äußern, während eigentlich der neue Preisträger im Vordergrund stellen soll. Arafat, Peres und Rabin hatten den Preis 1994 erhalten. Das zeigt nun nicht nur, wie schwer es ist, dauerhaften Frieden zu schaffen - sondern auch, dass eher tagespolitische Erwägungen kein guter Ratgeber für den Anspruch sind, die Richtigen mit möglichst langfristiger Wirkung auszuzeichnen.

In diesem Fall besteht die Chance, dass die Preisvergabe respektiert wird, auch im Rückblick. Dem Komitee und der Idee wäre es nur zu wünschen. Denn nicht einfach Personen und Funktionen werden ausgezeichnet. Vielmehr wird hier ein Preis, der bedeutendste der Welt, für die Tugend der Tapferkeit verlieren. Und einer für Beharrlichkeit. Das herauszuarbeiten, mussten die Juroren in Oslo aufs Neue versuchen. Dazu passt die Nachdenklichkeit, die eine Form von Selbstkritik ist, ja auch.

Südkoreas Präsident Kim Dae Jung ist eine wohl überlegte, eine gute Wahl. Seit 22 Jahren hat der Mittsiebziger jedes Jahr auf der Kandidatenliste gestanden. Das allein besagt vielleicht noch nichts über seine Qualifikation - aber sein Lebensweg sagt dafür umso mehr aus. Jahrzehnte war Kim politisch verfolgter Dissident im eigenen Land, seit drei Jahren führt er es. Seither ist Kim Dae Jung auch in offizieller Funktion um Aussöhnung bemüht, innerhalb seines Landes und mit Nordkorea - nach 50 Jahren Feindseligkeit.

Zwei historische Parallelen sind unverkennbar. Einmal zum Lebensweg Nelson Mandelas, der 1993 den Preis erhielt - in Anlehnung an ihn wird Kim der "Mandela Asiens" genannt -, zum anderen zur Politik Willy Brandts. Der Preisträger 1971 erfand die Entspannungspolitik, der diesjährige Preisträger die "Sonnenscheinpolitik". Es fügt sich darum gut, dass der Bundeskanzler nächste Woche zum Asien-Europa-Gipfel nach Seoul reist.

Wie Brandt langfristig gesehen der Wegbereiter für eine Annäherung der beiden deutschen Staaten war, so ist Kim derjenige, auf den sich die Hoffnungen, dass jetzt der Kalte Krieg auch in Korea seinem Ende entgegen gehen möge. Auswirkungen über die geteilten Staaten hinaus haben Brandt wie Kim: Ohne Brandts Kurs auch keine demokratische Umwälzung in ganz Europa, ohne Kims keine Veränderungen in der Region, in Birma zum Beispiel.

Da war es gut zu hören, dass Komiteechef Berge Brandt ausdrücklich erwähnte. Nicht nur, weil die Referenzgröße ein Deutscher ist. Außerdem zeigt sich daran das historische Maß - das Maß für die Zukunft. Nicht die beste, auch medienwirksame Inszenierung von Fortschritten auf dem Weg zu Frieden, Demokratie und Menschenrechten darf prämiert werden. Auch die bloße Hoffnung auf weitere Fortschritte bei erst begonnenen Friedensprozessen durch eine spektakuläre Unterstützung reicht nicht als Vergabe-Kriterium. Versuche der Nobeljuroren in den neunziger Jahren in dieser Richtung haben nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Effekte waren nur kurzfristig.

Die Rückbesinnung hat nicht erst jetzt begonnen. Nur zur Erinnerung: Die ersten Preisträger waren der Schweizer Henri Dunant, der das Internationale Rote Kreuz gründete, und der Franzose Frederic Passy, der die erste Friedensgesellschaft ins Leben rief. Im vergangenen Jahr hatte die Menschenrechtsorganisation Ärzte ohne Grenzen den Preis erhalten, 1997 die Internationale Kampagne gegen Landminen. Dazwischen finden sich die Politiker John Hume und David Trimble - und wo steht Nordirland heute? Genau das musste das Nobelkomitee nachdenklich machen, bei selbstkritischer Prüfung, was im historischen Urteil wohl länger Bestand haben werde.

150 Vorschläge sind eingegangen, mehr als je. Dennoch war die Entscheidung für Kim Dae Jung vergleichsweise leicht, glaubt man den Worten von Komiteechef Berge. Streit wie über Arafat, Rabin, Peres als Preisträger ist nicht zu erwarten. Es ist nicht das Schlechteste, wenn man das über die Vergabe eines Friedensnobelpreises sagen kann.

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