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Mustafa Dschemilew, Krimtataren-Führer

© Reuters

Führer der Krimtataren darf nicht auf die Krim zurück: „Wir brauchen keine Abstimmung“

Er sprach sich gegen eine Referendum auf der Krim aus. Dafür bekam Mustafa Dschemilew von den Russen jetzt die Quittung.

Mustafa Dschemilew, Führer der Krimtataren, befürchtete beim Referendum zum Russland-Beitritt der Schwarzmeerhalbinsel Mitte März offenbar Manipulation des Wählerwillens und hatte seine Landsleute daher zum Boykott aufgerufen: „Wir brauchen keine Volksabstimmung nach russischen Standards.“ Gestern bekam er dafür die Quittung. Als er nach Kiew reisen wollte, händigten ihm russische Grenzschützer, die seit dem Anschluss der Krim deren Grenzen zur Ukraine kontrollieren, ein Dokument aus, das ihm die Wiedereinreise für fünf Jahre untersagt. Die Sperre gilt nicht nur für die Krim, sondern für das gesamte Gebiet der Russischen Föderation.

Das verstößt nicht nur gegen das Menschenrecht auf Freizügigkeit der Bewegung, wie es die russische Verfassung allen Bürgern garantiert. Und das sind nun auch die Krim-Bewohner, sofern sie gegen die Einbürgerung nicht ausdrücklich Widerspruch einlegen. Es verstößt auch gegen politische Klugheit und gegen den gesunden Menschenverstand. Denn das Einreiseverbot entwertet den Erlass, mit dem Wladimir Putin am Vortag die Krimtataren, die Stalin 1944 wegen angeblicher Kollaboration mit der Wehrmacht kollektiv nach Zentralasien deportieren ließ, offiziell rehabilitiert hatte. Der Ukas war als erste vertrauensbildende Maßnahme gedacht. Umfassende Autonomierechte, nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis, sollten folgen und das Misstrauen der Volksgruppe zerstreuen. Denn die Mehrheit der Krimtataren – 300 000 Seelen und damit rund 14 Prozent der Krimbevölkerung – war gegen den Russland-Beitritt und glaubte sich trotz aller Schwächen der Demokratie in der Ukraine besser aufgehoben. Nun stellt sich die Frage, wie ernst es dem Kreml mit Aussöhnung und Minderheitenrechten ist. Rechten, für die der 70-jährige Dschemilew sein Leben lang kämpfte und dafür zu Sowjetzeiten mehrfach mit Haftstrafen büßte.

Solche wie „Kirimoglu“ – das Wort meint „Sohn der Krim“ und ist ein Ehrentitel, den ihm die Dachorganisation der Krimtataren für seinen Einsatz verlieh – mit Einreisesperren beugen oder brechen zu wollen, ist daher müßig . Moskau, das damit schon bei anderen Alt-Dissidenten grandios scheiterte, müsste das eigentlich wissen. Vor allem aber: Der Tataren-Führer ist eine unangefochtene moralische Autorität für die Volksgruppe. Und die könnte den Affront als Kriegserklärung werten.

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