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G-20-Gipfel: Sind so viele Trippelschritte

Man kann über die große Koalition allerlei Schlechtes sagen, eines nicht: dass sie nicht bis zum letzten Tag ihren Job gemacht hätte. Angela Merkel und Peer Steinbrück haben das geradezu demonstrativ beim Weltwirtschaftsgipfel in Pittsburgh vorgeführt. Daraus hätte ja sehr leicht ein Wahlkampftermin über den Atlantik hinweg werden können, mit Gehakel und Vorgedrängel, wer da zuerst welchen guten Vorschlag vorgelegt und wer sich wo durchgesetzt hat. Beide haben es nicht getan.

Von Robert Birnbaum

Man kann über die große Koalition allerlei Schlechtes sagen, eines nicht: dass sie nicht bis zum letzten Tag ihren Job gemacht hätte. Angela Merkel und Peer Steinbrück haben das geradezu demonstrativ beim Weltwirtschaftsgipfel in Pittsburgh vorgeführt. Daraus hätte ja sehr leicht ein Wahlkampftermin über den Atlantik hinweg werden können, mit Gehakel und Vorgedrängel, wer da zuerst welchen guten Vorschlag vorgelegt und wer sich wo durchgesetzt hat. Beide haben es nicht getan. Dass die Bilder von den Ufern des Ohio trotzdem vermutlich mehr der CDU-Kanzlerin nützen als dem SPD-Minister an ihrer Seite – sofern derlei auf unentschlossene Wähler überhaupt irgend einen Einfluss ausübt –, liegt in der Natur der Sache. Ober sticht Unter, bei Auftritten auf internationalem Parkett sorgt dafür schon das Protokoll.

Die Bilder nützen aber natürlich nur, wenn sie von einem Erfolg erzählen. Das Treffen der 20 großen Wirtschaftsnationen ist insofern ein Erfolg, als es auf wichtigen, wenn auch normalen Menschen schwer vermittelbaren Feldern Fortschritte bringt. Es ist zugleich ein Fehlschlag für alle, die gehofft hatten, dass aus der alten Stahl- und Kohlestadt ein zusätzliches Signal der Hoffnung für das Weltklima kommen würde.

Dass dies ein Fehlschlag mit Ansage ist, macht die Sache nicht besser. US-Präsident Barack Obama würde gerne den Kampf ums Klima mitkämpfen. Doch er ist in der Schlacht um seine Gesundheitsreform derart eingebunden, dass er seinem Parlament keine zweite Front zumuten will. Die Schwellenländer, China und Indien voran, haben daraufhin vollends dichtgemacht: Wenn das westliche Vorbildland sich nicht bewegt, warum dann wir? Der Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember, man muss das so hart sagen, kann an dieser Konstellation scheitern.

Die Erfolge des G-20-Gipfels liegen auf Gebieten, die selbst Fachleute bisweilen überfordern, und im öffentlich fast Unsichtbaren. Die Erfolge sind überdies nicht spektakulär. Dass für bestimmte weitere Schritte konkrete Termine vorgegeben werden, ist ein echter Fortschritt. Ein erster Schritt ist es, dass die Frage von unangemessen hohen Bankmanager-Boni im Abschlusstext auftaucht, dass sogar von einer Möglichkeit der Finanzaufsicht die Rede ist, unwillige Banken durch höhere Eigenkapital-Auflagen zu maßregeln.

Man hätte sich dort wie fast überall mehr wünschen können, weniger blumige Worte, mehr Verbindlichkeit. Dass vieles vage bleibt, liegt natürlich daran, dass am Konferenztisch Länder mit gegensätzlichen Interessen beisammensitzen. China – um nur ein Beispiel zu nehmen – ist die Finanzmarktaufsicht egal; dafür ist der asiatische Exportriese bei Währungsfragen hellwach. Diese Gegensätze erklären Unschärfen, sie entschuldigen sie nicht. Die Runde der großen 20 ist – wie die G 8, wie die Vereinten Nationen, die EU, die Nato – ständig in der Gefahr, sich darüber zu freuen, dass man nett beisammengesessen hat, und sich mit zweitbesten Lösungen und Trippelschritten zufriedenzugeben.

Trotzdem sind diese Gremien unersetzlich in einer Welt, die mit jedem Tag mehr zusammenwächst. Die G 20 erheben den Anspruch, auf Dauer eine „global governance“ zu werden. Das wäre mit Weltregierung falsch übersetzt, eher heißt es so etwas wie Weltaufsichtsrat: ein Gremium, das gemeinsame Ordnungsrahmen des Wirtschaftens vereinbart, koordiniert, überwacht.

Dahinter steckt ein sehr großer Anspruch. Das Gremium ist weit entfernt davon, ihm schon gerecht zu werden. Seine einzige Legitimation sind die Fakten der ökonomisch-politischen Macht, die seine Mitglieder zusammen einbringen. Legitimation kann einmal erwachsen aus der Bereitschaft dieser ja fast zufällig zusammengewürfelten Staaten-Combo, für die Idee einer gemeinsamen Welt mit harter, aber nicht verhärteter Konkurrenz über eigene Schatten zu springen. Es sind, am Rande vermerkt, ziemlich genau die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eine große Koalition aufbringen sollte. Die hat sich damit oft schwergetan. In Pittsburgh, kurz vor Schluss, hat es noch einmal gut funktioniert.

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