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Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama in Toronto am Rande der G20-Sitzung. -

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G-20-Gipfel: Wenn Merkel regiert

Außer Spesen nichts gewesen – dieses Urteil trifft es einfach nicht. Wann wäre es einem deutschen Kanzler je gelungen, auf internationaler Bühne ausgerechnet in Wirtschaftsfragen Angelsachsen erfolgreich die Stirn zu bieten? Angela Merkel hat just das in Toronto erreicht.

Die Erwartungen waren denkbar gering. Es stand lange vor Toronto fest, dass die G 20 keine Bankenabgabe und keine Finanzmarktsteuer beschließen würden. Es konnte auch niemand ernsthaft geglaubt haben, dass der Gipfel einen Durchbruch für eine schärfere Regulierung des Finanzsektors bringen würde. Lautstark darüber zu klagen, ist wohlfeil. Das entscheidende Treffen folgt im November in Seoul, und die vier Monate kann man jetzt auch noch getrost mit der großen Abrechnung warten.

Zu Recht sind die horrenden Gipfelkosten kritisiert worden. Kanada hat für die drei Tage knapp eine Milliarde Euro ausgegeben. Genauso viel will das Land über den Verlauf von fünf Jahren in den Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern stecken. Diese Relation ist obszön, und sie ist ein Grund, warum die eigentlich begrüßenswerte Initiative der Gastgeber als armselig empfunden wird. Dennoch hat Nicolas Sarkozy einen richtigen Punkt angesprochen. „Wenn wir nicht miteinander sprechen würden, wäre das für die Welt teurer“, sagte der französische Präsident, und das stimmt vermutlich selbst dann, wenn es ihm nicht wie angekündigt gelingt, seine Gipfel im kommenden Jahr für ein Zehntel der Summe zu organisieren.

Außer Spesen nichts gewesen – dieses Urteil trifft einfach nicht. Wann wäre es einem deutschen Kanzler je gelungen, auf internationaler Bühne ausgerechnet in Wirtschaftsfragen Angelsachsen erfolgreich die Stirn zu bieten? Angela Merkel hat just das in Toronto erreicht. Über Wochen und Monate lag sie mit den Amerikanern über Kreuz – und flog nun mit der einmütigen Unterstützung ihres zentralen wirtschaftspolitischen Grundsatzes heim: dass nämlich solide Staatsfinanzen Vertrauen stiften und damit am Ende auch gut für die Binnennachfrage sind. Eisern an ihrer Seite steht der neue britische Premier David Cameron. Auch das ist eine erstaunliche Wendung.

Sicher, das Defizit bis 2013 mindestens zu halbieren, muss nicht heißen, dass man 2011 mit der Konsolidierung anfängt. Man mag auch einwenden, dass die US-Budgetplanung der neuen Vorgabe genau entspricht und damit der Sprung für Präsident Barack Obama gar nicht so groß war. Und es fällt auch auf, dass die G 20 an den alten Trennungslinien noch nicht zusammengewachsen sind: Schwellenländer wollen ihre Finanzplätze stärken, nicht schwächen, erst recht, wenn die Krise sie nicht getroffen hat. Der saudische König und die deutsche Kanzlerin haben nicht viel gemein.

Doch ist es auch Merkels Verdienst, dass die G 20 bei den Staatsfinanzen erstmals eine gemeinsame Sprache gefunden haben – auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise. Die Kanzlerin hat in der globalen Wirtschafts- und Finanzpolitik, in der es von widersprüchlichen Expertisen nur so wimmelt, den Punkt erreicht, an dem sie für sich eine klare Linie gefunden hat und ihr folgt. Bei der Griechenland-Hilfe wackelte sie zunächst, die Finanzmarktsteuer wollte sie erst nicht, aber „Madame Non“, das war gestern.

Unmittelbar vor der kritischen Bundesversammlung fällt auf, wie sehr sie plötzlich in sich ruht, wie gefasst sie ist. Angela Merkel ist mit sich im Reinen. Der Start ihrer zweiten Legislaturperiode als Kanzlerin hätte nicht schlechter verlaufen können, aber in Toronto hat sie eine Klarheit gezeigt, die über den Tag hinausweist. Ein Neuanfang deutet sich an. Und es ist ja auch höchste Zeit. Eine Gesundheitsreform steht an, und auch ein weiteres Sparpaket könnte nötig werden: um die Vorgaben der G 20 zu erfüllen.

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