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G-20-Gipfel: Zukunft mit zwei Unbekannten

Der G-20-Gipfel hatte keinen Sieger, denn die Krise könnte alle zu Besiegten machen. Das Treffen endete mit dem üblichen Kompromiss, der irgendwie allen gerecht wird, aber auch nichts entscheidend bewegt.

Nach dem G-20-Gipfel halten sich in Kontinentaleuropa viele zugute, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy seien die Sieger gegen Barack Obama. Denn sie hätten seinem Druck, weitere große Konjunkturprogramme aufzulegen, widerstanden. Und sie hätten ihrerseits Amerika und Großbritannien gezwungen, stärkeren Regulierungen der Finanzmärkte zuzustimmen, als die ursprünglich vorgehabt hätten. Diese Sichtweise muss man nicht teilen.

Kontinentaleuropäer, voran die Deutschen, und Amerikaner haben unterschiedliche Prioritäten in der Krise. Das liegt auch an ihrer jeweiligen Geschichte und dem Blickwinkel, welcher Aspekt der Weltwirtschaftskrise vor rund 80 Jahren der entscheidende war. Das Grundübel aus US-Sicht war, dass der Staat 1929 nicht genug tat. Das deutsche Trauma dagegen ist die Inflation, die nach dem Crash von 1929 unkontrollierbar wurde. Heute fürchtet die Bundesregierung, die Aufblähung des US-Budgets werde über kurz oder lang zur Aufweichung des Dollar und zu weltweiten Inflationstendenzen führen. Die Amerikaner sagen: Lasst uns erst mal die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, mit den Folgeproblemen beschäftigen wir uns später. Die Deutschen wollen die Inflationsgefahr schon heute bei der Entscheidung über Konjunkturprogramme mit bedenken. Wer mit seinen Prioritäten und Bedenken recht behält, weiß heute niemand. Das wird die Zukunft entscheiden. Selbst wenn sich in London eines der beiden Lager durchgesetzt hätte, könnte es passieren, dass sich dieser Triumph im Nachhinein als Niederlage erweist. Springt die Konjunktur nicht in absehbarer Zeit an, wird der Verzicht auf größere Konjunkturprogramme im Rückblick als Fehler gelten. Wenn sich die Wirtschaft berappelt, aber dafür die große Inflation folgt, fällt das Urteil umgekehrt aus.

Das G-20-Treffen endete aber gar nicht mit dem Kantersieg einer Seite, sondern dem üblichen Kompromiss, der irgendwie allen gerecht wird, aber eben auch nichts entscheidend in eine Richtung bewegt. Tatsächlich ist in London etwas Bemerkenswerteres geschehen: Der neue US-Präsident hat zugegeben, dass sein Land eine hohe Mitschuld an der Krise trägt, dass sie in Amerika begann. Er wolle der Welt keine Lektionen erteilen, sondern zuhören und Rat annehmen.

Generell gibt es in den USA erstaunlich wenig Schuldbewusstsein. Der allgemeine Ton ist eher vorwurfsvoll: Wir wissen, was jetzt zu tun ist, aber einige unserer Partner sträuben sich. Da hat Obama einen wichtigen Kontrapunkt gesetzt – viel wichtiger als die Frage, ob er der Sieger oder der Besiegte war. Der einseitige Triumph in dieser Krise kennt nämlich auf Dauer keine Sieger, sondern macht alle zu Besiegten. Nur durch Kooperation und die Bereitschaft, andere Sichtweisen und Strategien zu bedenken, kann diese Krise bezwungen werden.

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