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Lebensmittel und Spekulationsobjekt: Mais.

© dpa

Gastbeitrag: Das Geschäft mit dem Essen

Auch die Spekulation mit Nahrungsmitteln hat ihre guten Seiten. Ein Verzicht wird nicht aus der Ernährungskrise führen. Aber das gesunde Maß ist überschritten. Es ist Zeit, zu handeln.

Die Spekulation mit Nahrungsmitteln ist in die Diskussion geraten. Viele Unternehmen haben ihren Ausstieg erklärt – anders Deutsche Bank und Allianz. Zu Recht, meint der Wirtschaftsethiker Ingo Pies, der zivilgesellschaftlichen Organisationen in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel eine „skandalöse Gemeinschaftskampagne“ gegen Agrarspekulation vorwarf. Die Argumente, mit denen Deutsche Bank und Allianz verteidigt werden, sind so falsch wie gefährlich.

Thilo Bode ist Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.
Thilo Bode ist Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.

© Thilo Rückeis

Damit dies klar ist: Niemand macht allein Finanzspekulanten verantwortlich für den Hunger. Wachsende Weltbevölkerung, steigender Fleischkonsum, Erntelagen, der Anbau von Energiepflanzen – all dies wirkt sich auf die Preise aus. Exzessive Spekulation aber kann Preisblasen verursachen und hunderttausende Menschen zusätzlich in den Hunger treiben. Es gibt stichhaltige wissenschaftliche Belege, dass sich Preisblasen an den Warenterminbörsen für Agrarrohstoffe bilden können, die sich in drastisch erhöhten Verbraucherpreisen von Weizen, Soja oder Mais niederschlagen. Derartig extreme Preisspitzen, etwa die bei Getreide 2008 und 2010, lassen sich nicht mehr nur mit steigender Nachfrage und mangelndem Angebot erklären.

Ein Verzicht auf exzessive Spekulation allein wird uns ohne Zweifel auch nicht aus der Ernährungskrise führen. Die Notwendigkeit direkter Investitionen in die Landwirtschaft ist unbestritten, gerade, um Kleinbauern zu stärken. Das alles entbindet jedoch nicht von der Verantwortung, dass wir uns endlich von jenen Finanzprodukten verabschieden, die die Preise zusätzlich treiben können. Wer behauptet, der Hunger könne allein durch eine Steigerung des Nahrungsangebots bekämpft werden, ist ein Zyniker: Vielerorts sind die Menschen einfach zu arm, um sich ausreichend Nahrung leisten zu können – ein größeres Angebot ändert daran nichts.

Richtig ist: Spekulation hat ihren Nutzen. Ohne Spekulanten fehlt Warenterminbörsen die Liquidität, die sie am Leben hält – und die nötig ist, damit sich Landwirte oder Agrarhändler gegen Preisschwankungen absichern können. Das gesunde Maß an Spekulation wurde jedoch mit der Deregulierung der Warenterminbörsen um die Jahrtausendwende überschritten. Heute liegt der Anteil der reinen Finanzspekulanten ohne jedes Interesse an den physischen Agrarrohstoffen bei 80 Prozent, das Anlagevolumen von Agrarfinanzprodukten hat sich auf eine dreistellige Milliardensumme vervielfacht. Diese exzessive Spekulation gilt es einzudämmen - ohne die nützliche Spekulation gleich mit zu verbieten.

Es lohnt sich zu erinnern: Vor der großen Deregulierung, bevor also institutionelle Anleger wie Investmentbanken und Versicherungen die Rohstoffmärkte überschwemmten, hatten Landwirte und Agrarhändler ihr Instrument, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern: Die Warenterminbörsen funktionierten. Nötig ist somit kein Verbot aller Spekulation, wohl aber eine Re-Regulierung: Wir müssen zurück zu funktionierenden Terminbörsen ohne ihre exzessiven Auswüchse. Diese bringen keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, sie dienen weder der Preisabsicherung noch der Stärkung von Kleinbauern, sondern allein den Kapitalanlegern.

Neben der Politik stehen Unternehmen wie die Deutsche Bank in einer eigenen Verantwortung. Selbst wenn die Studienlage uneinheitlich ist: Die fundierten Hinweise auf eine preistreibende Wirkung der Spekulation lassen sich nicht wegdiskutieren. Allein das gebietet, aus Vorsorgegründen Risiken für Leib und Leben der Menschen in den ärmsten Regionen der Welt auszuschließen. Wer erst darauf wartet, bis die Hungernden die Schädlichkeit der Finanzprodukte zweifelsfrei bewiesen haben und alle Gegenmeinungen verstummt sind, handelt verantwortungslos. Deutsche Bank & Co. sollten schon die Unschädlichkeit ihres Handelns belegen können – oder aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln aussteigen.

Thilo Bode ist Geschäftsführer von Foodwatch.

Thilo Bode

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