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Gastbeitrag: Zwischen den Blöcken

Am Checkpoint Charlie ein „Freedom Park“ mit Imbiss-Stuben? Es gibt keinen besseren Ort für ein Museum des Kalten Krieges

Der Checkpoint Charlie ist ein historischer Ort mit großer Anziehungskraft, da der ehemalige Grenzübergang als einer der Brennpunkte des Kalten Krieges bekannt ist. Berlin-Besucher wollen dort erfahren, wie die Ost-West-Konfrontation konkret abgelaufen ist. Der Checkpoint ist also eine der zentralen Visitenkarten Berlins. Glücklicherweise sind dort noch zwei Grundstücke unbebaut, aber diese sollen im Mai zwangsversteigert werden.

Soll man dieses geschichtsträchtige Areal der privaten Gestaltung derer überlassen, die daraus einen „Freedom Park“ mit Imbiss-Stuben machen wollen? Das wäre eine Katastrophe für das internationale Image der Stadt.

Als Alternative empfiehlt sich der Bau eines Museums des „Kalten Krieges“ auf einem der Grundstücke. Seit einem halben Jahrzehnt hat eine Initiativgruppe von Historikern und Museumsfachleuten einen Plan ausgearbeitet, der das dezentrale Mauerkonzept des Senats durch ein solches Zentrum krönen soll. Der Aufruf ist von Politikern wie dem früheren US-Außenminister James Baker und dem tschechischen Präsidenten Vaclav Havel unterzeichnet worden und erhält große Zustimmung von Wissenschaftlern, die über den Kalten Krieg arbeiten, da ein solches Zentrum weltweit einmalig wäre.

Das Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart hat bereits eine Bildergalerie geschaffen, die als Bauzaun wichtige Informationen über die internationale Politik mit ihren lokalen Auswirkungen verbindet. Mittlerweile steht auf einem der Grundstücke eine Blackbox, in der vom Sommer an eine Vorschau auf die Dauerausstellung geboten wird.

Wie üblich bei solchen Projekten erheben sich auch einige kritische Stimmen. Skeptiker fragen: Braucht Berlin noch ein weiteres Museum, da sich bereits das Alliierten-Museum in Dahlem oder das Kapitulationsmuseum in Karlshorst mit ähnlichen Themen beschäftigen? Sparbeflissene möchten wissen, wie die Einrichtung finanziert werden soll. DDR-Opferverbände sorgen sich um die Berücksichtigung ihres Leidens, während russische Vertreter vor einer Verteufelung der Sowjetunion warnen. Manche Politiker erheben den Vorwurf einer Äquidistanz zwischen den Blöcken und verlangen eine eindeutige Stellungnahme für die Freiheit.

Doch solche Bedenken lassen sich schnell zerstreuen. Das große Interesse an der Galeriewand zeigt, dass ein solches Museum vom Publikum angenommen wird. Nach Berechnungen von Fachleuten benötigt es nur eine Anschubfinanzierung und wird sich ab etwa 300 000 Besuchern pro Jahr selbst tragen. Natürlich wird die Ausstellung die Angst vor der nuklearen Vernichtung, die Trennung Europas durch den Eisernen Vorhang und die Repression der kommunistischen Diktatur zeigen müssen, ohne deswegen westliche Überreaktionen zu verschweigen und die östliche Seite unnötig zu diffamieren. Zweifellos wird dort für die Freiheit Partei ergriffen, aber nicht im engen Sinne parteiisch, sondern um über unterschiedliche Dimensionen des Ost-West Konflikts nachzudenken und die Ursachen seiner friedlichen Überwindung deutlich zu machen.

Dagegen gibt es eine Reihe von Gründen, die für die Errichtung eines Museums des Kalten Krieges am Checkpoint Charlie sprechen. Da die jüngere Generation der unter 30-Jährigen keine eigene Erinnerung mehr daran hat, fallen dessen Krisen und Gefahren zunehmend dem Vergessen anheim, obwohl sie die Politik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend geprägt haben. Gleichzeitig ist die wissenschaftliche Forschung seit der friedlichen Revolution durch den Zugang zu russischen und amerikanischen Dokumenten weiter fortgeschritten. Besonders in der geteilten Frontstadt Berlin sind die Folgen internationaler Auseinandersetzungen für das tägliche Leben der Bürger, von den Grenzkontrollen zu den Passierscheinen, sichtbar und prädestinieren diesen Ort für eine wissenschaftlich fundierte Ausstellung. Schließlich ist der Kalte Krieg teils durch die inneren Proteste im Ostblock, teils durch die diplomatische Mäßigung des Westens friedlich überwunden worden – eine Lehre, die auch heute noch für die Beilegung internationaler Konflikte wichtig ist.

Die Doppelkrise des Checkpoints, seine drohende Zwangsversteigerung und platte Kommerzialisierung, bietet die Chance für eine öffentliche Diskussion über einen erinnerungspolitisch verantwortlichen Umgang mit diesem historischen Ort. In allen internationalen Diskussionen um das Museumskonzept war die Meinung einhellig, dass Berlin die geeignete Stadt und der Checkpoint der richtige Platz für ein solches Museum wäre. Die bisherigen Vorarbeiten bieten dem Senat die Möglichkeit, diese Pläne rasch umzusetzen.

Der Autor ist deutsch-amerikanischer Historiker, Vorsitzender des Vereins „Zentrum Kalter Krieg“ und ehemaliger Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam.

Konrad H. Jarausch

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