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Gastkommentar: Außenpolitik? Nein, danke

Was immer man von der Regierung Schröder/Fischer halten mochte – an außenpolitischem Ehrgeiz mangelte es ihr nicht. Sie hat ihn leider nicht vererbt. Die internationale Bilanz der großen Koalition ist erbärmlich.

Für die außenpolitische Leistung der großen Koalition gilt nach vier Jahren das betrübliche Fazit: Sie hat mit ihrem Pfund nicht gewuchert.

Gerhard Schröder suchte für die Bundesrepublik mehr internationale Mitsprache, schadete dem allerdings durch die Ruppigkeit seines Auftretens. Joschka Fischer wollte die Integration Europas vorantreiben und im Nahen Osten die dürftigen Friedenschancen verstärken, hatte aber mehr Gefallen an der Darstellung als an der Durchsetzung deutscher Außenpolitik. Beider bleibendes Verdienst ist es, die Entsendung deutscher Soldaten in internationale Einsätze aus den ideologischen Schützengräben befreit und zu einer Frage nationaler Interessenabwägung gemacht zu haben. Und beide bewiesen durch ihr Engagement, dass das internationale Umfeld Deutschlands und sein Einfluss darin als eine vorrangige politische Herausforderung begriffen werden muss.

Bei Angela Merkel und Frank- Walter Steinmeier sucht man derartiges Engagement vergebens. Die Kanzlerin hat zwar manche der von Schröder verursachten Irritationen bei unseren osteuropäischen EU-Partnern, insbesondere im Verhältnis zu Polen, abgebaut. Die schleichende Ausweitung der Nato auf Georgien und die Ukraine hat sie gebremst. Während der deutschen EU-Präsidentschaft 2007 wurde sie zur tatkräftigen Antreiberin europäischer Kompromisse und dafür zu Recht mit dem Karlspreis geehrt. Seither jedoch hält sie ihr Pensum offenbar für erfüllt.

Außenminister Steinmeier wiederum hat ein eigenes internationales Profil nicht gefunden. Problembewusst und präsent war er immer, gewiss; alles, was der internationale Terminkalender vorgab, hat er abgearbeitet. Dennoch hat er keinen Bereich zu seinem eigenen gemacht. In seinem rechtzeitig zum Wahlkampf vorgelegten und durchaus lesenswerten Buch „Mein Deutschland“ kommt Europa fast gar nicht und Außenpolitik allenfalls als Nachklapp vor.

Die Deutschen scheint diese spärliche außenpolitische Bilanz ihrer beiden Spitzenpolitiker nicht zu stören. Der Wahlkampf findet – abgesehen von den Bemühungen des FDP-Vorsitzenden, sich als künftigen AA-Chef in einer schwarz-gelben Koalition zu empfehlen – nahezu ohne Außenpolitik statt. So gut geht es uns inzwischen in der ruhigen Mitte Europas, so sehr geben wir den Sorgen zu Hause Vorrang.

Draußen jedoch wird die internationale Enthaltsamkeit Berlins besorgt vermerkt. Wisst ihr Deutschen denn nicht, wird da gefragt, wie sehr es auf euch ankommt, wie groß euer internationales Potenzial ist? Leider muss man darauf die Antwort geben: Die deutsche Regierung will es erst gar nicht auf die Probe stellen. Das wirtschaftliche und politische Schwergewicht Europas nimmt eine außenpolitische Auszeit.

Folgenlos ist das nicht. Die europäische Integration stagniert. Zu Frankreich, unserem wichtigsten Partner, besteht ein Nichtverhältnis. In der Russlandpolitik hat sich Berlin immer noch nicht entschieden, ob die Beziehung zu Moskau bilateral oder in europäischer Solidarität gestaltet werden soll. In den zwei großen Krisen, Nahost und Afghanistan/Pakistan, schwimmt Deutschland im amerikanischen Kielwasser, ohne Einfluss auf den Kurs zu suchen.

Im biblischen Gleichnis, das der Pastorentochter im Kanzleramt bekannt sein dürfte, zürnt der Herr dem Knecht, weil er das ihm angetraute Vermögen nicht gemehrt hat, und befiehlt, ihn in die Finsternis hinauszuwerfen – „da wird sein Heulen und Zähneklappern“. Ein so hartes Urteil der Wähler haben Merkel und Steinmeier nicht zu befürchten, doch was ihnen bevorsteht, ist auch nicht angenehm: Ihre Unterlassensfehler muss die nächste Bundesregierung ausbaden. Und das heißt: Wahrscheinlich sie selber.

Der Autor war von 1997 bis 2005 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Christoph Bertram

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