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Gastkommentar: Das Projekt 18 läuft von ganz allein

Die FDP kann abwarten: Alle anderen Parteien treiben ihr die Wähler zu. In Hessen hat es vortrefflich angefangen. Jede weitere Wahl soll eine Etappe werden zur Rückkehr an die Macht im Herbst.

Viele treiben der FDP Wähler zu. Angela Merkel verprellt mit sozialdemokratischer Politik marktliberale Wähler. Kurt Beck ließ Andrea Ypsilanti los, und die stieß Anhänger vor den Kopf, die meinten, auf das Wort der guten alten Sozialdemokratie sei Verlass. Horst Seehofer, der Erbe des unglücklichen Duos Huber/Beckstein, treibt seine bisherige Kanzlerin vor sich her. Und nun auch noch der Fall Glos.

Derweil sitzt „Guido“ seiner Einmannpartei vor. Er muss seine Schuhsohlen nicht mehr mit „18“ bekleben: Wähler finden sich von alleine ein. Jetzt zeigen Umfragen schon den Pegel „18“. Lasst den SPD-Finanzminister Milliardenschirme aufspannen, lasst die angeblich große Koalition Banken verstaatlichen: Das Publikum blickt zu den Liberalen. Selbst Oskar Lafontaine und Gregor Gysi verblassen, denn eine Verstaatlichung der Banken zu fordern, das traute sich selbst die Linkspartei nicht. Und die Grünen? Welche Linie haben sie?

Guido Westerwelle wartet. Die ärgsten inneren Konkurrenten sind nicht mehr da. Wolfgang Gerhardt wurde zur Friedrich-Naumann-Stiftung weggelobt, Walter Döring ist in Baden-Württemberg gestrauchelt, Jürgen Möllemann nahm sich das Leben und Günter Rexrodt starb an einer schweren Krankheit. Geblieben ist Rainer Brüderle. Aber der küsst eher die Weinkönigin als dass er Westerwelle herausfordern würde. Je toller es andere treiben, desto besser erscheint es also für die FDP:

Seit wann entscheidet ein Ministerpräsident, ob der Wirtschaftsminister gehen soll?

Josef Ackermann behauptet, er würde die Ehre des Privatkapitalismus retten und konzediert gleichzeitig Milliardenverluste.

In Bayern gibt es eine freie Wählergemeinschaft, die nicht für den Bundestag antreten will, fürs Europarlament aber schon.

Derweil hat der rot-rote Senat von Berlin der direkten Demokratie Raum gegeben, jedoch – wie sich immer deutlicher zeigt – nur auf der Spielwiese.

Abwarten, sagt sich Westerwelle. Ob die Wirtschaftskrise zur Inflation führt oder „nur“ zum Anstieg der Arbeitslosigkeit – eine klare marktwirtschaftliche Linie hat scheinbar nur noch die FDP.

Die Argumente gegen den Ausgabentheoretiker John Maynard Keynes haben gewirkt: Viele glauben, dass Konjunkturprogramme Strohfeuer entzünden, dass Private es besser können als der Staat, dass die freie Bahn für Leistungsträger den Leistungsunfähigen hilft. Diese konnten sich bisher auch in der Union oder in der SPD ihre Plätzchen suchen. Seitdem Friedrich Merz und Gerhard Schröder nicht mehr da sind, bleibt ihnen nur die FDP.

Und deren Chef wartet ab. Manches hat die FDP in der Vergangenheit versucht: Beim „Projekt 18“ hat sie Wahlziel und Politikinhalt vertauscht, dann hat sie dem Liberalismus eine ökologische und eine soziale Note verpasst. Beides brachte sie nicht voran. 2005, nach der Wahl von Horst Köhler, kehrte die Partei zum Konzept des Mehrheitsbeschaffers zurück. Doch auch das funktionierte nicht, weil die Union patzte und nicht die notwendige Stimmenzahl einfuhr.

2009 soll dennoch Erntejahr sein für die Liberalen. In Hessen hat es vortrefflich angefangen. Jede weitere Wahl soll eine Etappe werden zur Rückkehr an die Macht im Herbst. So wie es läuft, werden die anderen es richten.

Aber Vorsicht! Die Union darf es auch wieder nicht zu toll treiben. Sonst geht es ihr wie 2005, und zu viele Wähler laufen davon. 2009 muss es am Ende reichen: Union und FDP zusammen brauchen mehr als 50 Prozent.

Wenn das nicht klappt, wird es ungemütlich. Eine gestärkte Einmann-Partei müsste sich auf „Jamaika“ oder die „Ampel“ einstellen. Die Einmann-Partei in einer Dreierkoalition? Abgesehen davon, dass niemand weiß, ob die Grünen mitmachen würden, bevor sich die FDP drauf einlässt, ist manche bisher nicht geführte Diskussion erforderlich.

Die Wähler werden entscheiden, wie und mit wem es weiter geht. Soll es 2009 am Ende mit Schwarz-Gelb klappen, darf die Schar der Wechsler von der Union zur FDP nicht zu groß werden. Westerwelle kann nicht nur abwarten. Bangen muss er auch.

Der Autor ist Politikwissenschaftler und FDP–Mitglied.

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