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Für den Augenblick hat Merkel in der Abstimmung über das Eurorettungspaket über ihre Kritiker und über die Europaskeptiker in den eigenen Reihen triumphiert. Doch es kann sein, dass sie diesen Erfolg teuer erkauft hat.

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Gastkommentar: Die CDU und der Euro: Merkels Pyrrhussieg

Mit Kanzlermehrheit stimmte der Bundestag am Donnerstag dem Eurorettungsschirm zu. Merkel hat gekämpft und gesiegt, für einen Moment über ihre Kritiker triumphiert. Doch nun zeigt sich, dass sie diesen Erfolg teuer erkauft hat.

Aufregende politische Wochen liegen hinter der Bundesregierung und hinter der Bundeskanzlerin. Nach wochenlangen Diskussionen konnte Angela Merkel am Donnerstag vergangener Woche im Bundestag einen wichtigen politischen Erfolg feiern. Ihre Kanzlermehrheit stand bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm (EFSF). 315 Abgeordnete aus Union und FDP stimmten dafür, nur 15 verweigerten der Kanzlerin ihre Unterstützung. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in einer schwierigen Lage ihre Handlungsfähigkeit demonstriert.

Dem Sieg im Bundestag war allerdings ein politischer Kraftakt vorangegangen, der viel Überzeugungsarbeit erforderte und auch nicht ohne massiven Druck auf die Abweichler in den eigenen Reihen auskam. Merkel triumphierte über ihre Kritiker und auch über die Opposition, die schon über das Ende dieser Regierung fabulierte. Die Kanzlerin offenbarte dabei ungeahnte Qualitäten und dies nicht nur in der Talkshow von Günter Jauch, sondern vor allem in Sachen Führungsstärke. Doch längst ist offenbar geworden, dieser Erfolg hatte seinen Preis. Und so könnte sich der Merkel-Sieg schon bald als Pyrrhussieg entpuppen, als Sieg, der die Regierung langfristig nicht gestärkt, sondern geschwächt hat, innenpolitisch genauso wie in Europa.

Die Kanzlerin und die Regierungsparteien haben jedoch keine Zeit, jetzt durchzuatmen, ihren Triumph auszukosten und das eigene Lager in aller Ruhe neu aufzustellen. Denn einerseits haben die Diskussionen der letzten Wochen den tiefen Riss offenbart, der in Sachen Europa und Euro durch die drei Regierungsparteien geht. Das gegenseitige Misstrauen ist groß und die Basis lässt sich kaum noch mitnehmen. Andererseits war die Abstimmung über den EFSF nur der Anfang.

Doch nicht nur die CSU zieht gegenüber Europa mittlerweile rote Linien. Die FDP muss möglicherweise schon bald die Mitglieder ihrer Partei zur Euro-Rettung befragen. Und auch unter den CDU-Anhängern ist die Skepsis gegenüber dem europapolitischen Kurs der eigenen Kanzlerin wesentlich größer, als es jene sieben CDU-Abweichler, die dem Druck der Parteiführung standhalten konnten, zum Ausdruck bringen. Vor allem Wolfgang Bosbach hat sich dabei als Stimme einer skeptischen Parteibasis profiliert. Wie sehr die Nerven in der CDU blank liegen, hat nicht zuletzt der Ausraster von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla gezeigt.

Kritiker fordern nun Pofallas Kopf, dabei kann Merkel auf einen ihrer wichtigsten Mitstreiter in der Partei und im Kanzleramt eigentlich nicht verzichten. Schließlich war die Abstimmung über den EFSF nicht die letzte Abstimmung des Bundestages in Sachen Europa, weitere und vor allem solche mit noch wesentlich weitreichenderen politischen und finanziellen Folgen werden folgen. Und damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie viele vergleichbare Kraftakte kann sich die schwarz-gelbe Regierung noch leisten, ohne dass sie auseinanderbricht.

Lesen Sie auf Seite zwei, warum die Handlungsfähigkeit, die Merkel demonstriert hat, jederzeit in eine Entscheidungsblockade umschlagen kann.

Eines steht fest, der nächste Kraftakt kommt bestimmt, das wissen alle Beteiligten. Die Rettung der gemeinsamen europäischen Währung steht noch ganz am Anfang. Längst haben sich neue Hürden aufgetan. Nicht umsonst wird in Europa schon seit Tagen über noch höhere Summen spekuliert, als jene 211 Milliarden, denen der Bundestag in der vergangenen Woche zustimmte und über sogenannte Hebel, mit denen die Rettungssumme bis zu zwei Billionen Euro erhöht werden könnte. Um das EFSF-Gesetz überhaupt durch den Bundestag bringen zu können, hat die Bundesregierung den Abgeordneten weitreichende Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen müssen. Die Abgeordneten des Bundestages werden also wieder von sich hören lassen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von Anfang September noch einmal klargestellt, dass in Sachen Europa und vor allem in Sachen Haushalt das Parlament der Souverän ist.

Einen Teil dieser Souveränität allerdings wird Deutschland eher früher als später an Europa abtreten müssen und vermutlich wird Deutschland dafür seine Verfassung ändern müssen. Schließlich hat der Euro nur eine Zukunft, wenn jetzt seine fundamentalen Geburtsfehler beseitigt werden. Und das heißt, Europa braucht mehr politische Integration und nicht weniger. Europa braucht eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie gestärkte politische Institutionen und auch eine gemeinsame Außenpolitik. Und Europa braucht sowohl politische als auch finanzielle Solidarität.

Wer Europa und den Euro will, der muss sich zumindest partiell von nationalstaatlichem Denken und von institutionellen Vorbehalten der nationalen Parlamente verabschieden. Und dies gilt völlig unabhängig davon, ob Griechenland doch noch Pleite geht und die Eurozone verlässt. Selbst in einem verkleinerten Kerneuropa ließe sich die Zeit nicht zurückdrehen. Es mag sein, dass die Vision der Vereinigten Staaten von Europa wenig Begeisterung hervorruft. Es mag sein, dass Europa auch zukünftig selbstbewusste Mitgliedsstaaten braucht. Und es mag sein, dass mehr Europa nur in sehr kleinen Schritten erreicht werden kann. Wer jedoch der europäischen Integration den alten Nationalstaat gegenüberstellt, der denkt nicht nur anachronistisch, sondern macht sich und seinen Wählern vor allem etwas vor. Die Grenze, von der der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer verkündet hat, dass seine Partei diese nicht überschreiten werde, diese Grenze wird Deutschland also überschreiten müssen, mit dieser Regierung oder ohne sie.

So hat die Euro-Abstimmung in der vergangenen Woche auch gezeigt, wie eng für die Kanzlerin und ihre schwarz-gelbe Koalition der Erfolg und seine Grenzen beieinanderliegen. Die Handlungsfähigkeit, die Merkel demonstriert hat, kann jederzeit in eine Entscheidungsblockade umschlagen. Für den Augenblick hat Merkel in der Abstimmung über das Eurorettungspaket über ihre Kritiker und über die Europaskeptiker in den eigenen Reihen triumphiert. Doch es kann sein, dass sie diesen Erfolg teuer erkauft hat.

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