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Laut unserem Gastautor Klaus Ernst gibt es vielerorts linke Mehrheiten, die von den Sozialdemokraten aber am Regieren gehindert werden.

© dapd

Gastkommentar: "Die SPD flüchtet sich in die große Koalition"

Linken-Chef Klaus Ernst ist frustriert von der SPD. Trotz linker Mehrheiten, versperrt sie sich vor einer linksgerichteten Koalition.

Was haben Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und demnächst auch das Saarland gemeinsam? Diese Bundesländer werden von Koalitionen aus SPD und CDU regiert, obwohl rot-rote Regierungen möglich wären, auf der Basis größerer Gemeinsamkeiten. Vier der fünf Koalitionen wurden innerhalb des vergangenen Jahres beschlossen. Der Trend ist klar: Die große Koalition wird von der Ausnahme zur Regel, weil die SPD nicht bereit ist zu akzeptieren, dass links von ihr eine stabile demokratische politische Kraft entstanden ist und im Zweifel auf die Umsetzung ihres Programms verzichtet, um eine Regierungsbeteiligung der Linken zu verhindern.

Die SPD wird nicht müde, Gründe gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken anzuführen. Ich will darauf antworten. Will die Linke nicht regieren? Gegenfrage: Ist eine Zusammenarbeit irgendwo am mangelnden Willen der Linken gescheitert? Kann die Linke keine Kompromisse machen? Wo wir regiert haben und regieren, sind stabile Mehrheiten zustande gekommen. Wie jede Partei wollen wir unsere Ziele wie faire Löhne, armutsfeste Renten und gerechte Steuern in Koalitionen umsetzen. Kann die Linke nicht mit Geld umgehen? Wir haben mehrfach das Gegenteil bewiesen. In Berlin wurde unter großen Opfern mit dem Abtragen des Schuldenbergs begonnen. Mecklenburg-Vorpommern wurde 2006 nach acht Jahren Rot-Rot mit einem ausgeglichenen Landeshaushalt übergeben. Und Brandenburg, wo ein linker Finanzminister regiert, hat im Jahr 2011 erstmals einen ausgeglichenen Haushalt. Will die Linke die Schuldenbremse nicht einhalten? Wir haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir bereit sind, den Weg eines sozialen Schuldenabbaus einzuschlagen. Wir bestehen lediglich auf der Feststellung, dass es ohne eine effektive Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen keinen Schuldenabbau geben kann. Fazit: Was die SPD als Gründe angibt, ist ein Sammelsurium von Vorwänden.

Eigentlich müsste Merkel um ihr Amt fürchten.

Die Linke ist auch deshalb stark geworden, weil die SPD als Regierungspartei versagt hat. Nunmehr erleben wir, dass die SPD auch als größte Oppositionspartei versagt. Sie hat es versäumt, nach dem Vorbild anderer europäischer Länder die Opposition auf einen Konsens zu einen, der das Versprechen auf einen Politikwechsel verkörpert. Im Gegenteil: Sie flüchtet sich in große Koalitionen. Es ist nicht schwer, Minimalanforderungen zu definieren. Wenn es im Spektrum jenseits von Schwarz-Gelb unstrittig wäre, dass erstens der Schuldenabbau nicht durch die Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen, sondern durch die stärkere Besteuerung der Reichen erfolgen soll, dass zweitens die enthemmte Spekulation an den Finanzmärkten ausgetrocknet werden muss, und dass drittens ein Mindestlohn und eine Mindestrente notwendige Instrumente gegen die Armut von Arbeitnehmern und Rentnern sind, dann müsste Merkel um ihr Amt fürchten. Wenn aber eine Partei, die die soziale Demokratie im Namen führt, sich nicht einmal auf einen Minimalkonsens einlässt, dann betreibt sie Etikettenschwindel.

Wohin führt dieser Weg? Für die SPD führt er dazu, dass sie sich die Debatte um die Kanzlerkandidatur sparen kann. Die SPD kämpft bundesweit nur noch um den zweiten Platz, weil linke Mehrheiten ohne die Linke nicht möglich sind. Das führt dazu, dass nach der Bundestagswahl die Zeichen auf eine große Koalition stehen. Für das demokratische System ist das ein Schaden. Immer weniger Menschen gehen wählen, wenn sie den Eindruck haben, dass sich eh nichts ändert. Man stelle sich vor, welche Wirkungen es auf die Zuschauerzahlen hätte, wenn sich Borussia Dortmund und Bayern München in der Winterpause einigen würden, dass eine Mannschaft den Pokal gewinnen soll und die andere die Meisterschale. Demokratie lebt von Opposition. Eine Opposition, die ihrer Rolle nicht gerecht wird, macht Wahlen zur Nebensache.

Der Autor ist Vorsitzender der Linken.

Klaus Ernst

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