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Gastkommentar: Israel, Iran und die deutsche Linke

Rot-rote Bündnisse? Der Anti-Israel-Reflex der Linken ist sehr stark - so stark wie kaum ein anderes Antriebsmoment, meint FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.

Bei Karl Marx hieß es: "Ein Gespenst geht um in Europa." Bei seinen Urenkeln in der Linken ist es heute ein Geist, ein problematischer. Er hat einen Namen: Professor Norman Paech. Er könnte aber auch Erwin Schulze heißen oder sonst wie. Die Paechs kommen und gehen, der Geist bleibt. Er haftet der Linken an wie der eigene Schatten. Wenn Marx, selbst jüdischer Herkunft, geahnt hätte, dass die Partei, die sich auf ihn beruft, einst beseelt sein würde von einem Anti-Israel-Reflex, nahezu zwanghaft und so stark wie kaum ein anderes Antriebsmoment.

Paech legt wiederholt zwischen den Zeilen Vergleiche zwischen Israels und Nazideutschlands Militärmaßnahmen nahe und verharmlost die vom Mullah-Regime im Iran ausgehende Gefahr. Er sieht sich in einer Märtyrerrolle, weil er dafür kritisiert wird, dass er Israels Politik kritisiert. Als ob man das nicht dürfte und mitunter nicht sogar sollte - wie zum Beispiel ich. Doch das ist seine Masche, eine Art Laufmasche. Ganz tief unten sitzt der Schaden. Jahrhunderte reicht es zurück, dass die Juden dafür selbst verantwortlich gemacht werden, was ihnen nach dieser Argumentation geradezu zwangsläufig angetan wird.

Paech ist nicht irgendwer. Er ist außenpolitischer Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag. Und er ist offenbar einer, den die Linken ganz besonders brauchen. Nur so ist erklärlich, dass ihm in seinen Reihen kaum einer widerspricht, kein Gysi, kein Lafontaine, kein Junger, kein Alter, der weiß, was gerade auch Kommunisten in den Nazijahren erlitten haben. Auch keiner von denen, die in der Hauptstadt mitregieren.

Und Herr Wowereit? Was denkt er eigentlich, wenn sein Koalitionsgenosse Paech in der Tagesspiegel-Ausgabe vom 14. November schreibt: "Die unerträgliche Rhetorik des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad heizt die antiisraelische und antisemitische Stimmung im Lande zwar mächtig an. Eine vergleichbare Drohung wie die israelische gegen Iran enthält sie aber definitiv nicht. Und das unveränderte Beharren auf der Urananreicherung zur zivilen Nutzung der Kernenergie - man mag der Versicherung glauben oder nicht - ist keine Drohung mit einem Angriff."? Paech bedauert also nur die Rhetorik in den Todesdrohungen Ahmadinedschads gegen das Volk Israels, ansonsten gibt er ihm Recht. So billigt er Iran "allzu plausible Gründe" zu, "sich mit dem ultimativen Mittel, der Atombombe also, zu schützen". Und Wowereit schweigt.

Was mir Angst macht, ist weniger die atemberaubende Argumentation des iranischen Herrschers oder des Linken-Außenmanns, sondern der Geist, der aus ihren Worten spricht. Der eine hat die Macht im Iran, der andere will sie hier. Linken-Chef Lafontaine hat vorige Woche angeboten: "Die SPD kann morgen mit uns regieren und den Kanzler stellen, wenn sie die deutschen Truppen aus Afghanistan zurückzieht." Der Traum wird jetzt nicht aufgehen. Aber später der von Klaus Wowereit? Er hat nach wie vor seine ganze Karriereplanung darauf ausgerichtet, sobald wie möglich eine Linksregierung zu bilden und anzuführen. Was wird dann aus der außenpolitischen Verlässlichkeit Deutschlands, aus den Bündnissen, die uns tragen, aus unserer historischen Verantwortung?

Mir macht keine Angst, wenn die Linken soziale Visionen verfolgen. Dafür sind sie da. Sollen Sie uns doch gehörig Druck machen von links! Wenn die Wähler Sozialisten in unseren Parlamenten wollen, obwohl jeder weiß, was das gescheiterte sozialistische Experiment für Deutschland gebracht hat, dann muss ich das als Liberaler hinnehmen. Das gehört genau so zur demokratischen Gesellschaft wie die breite Ablehnung einer revolutionären Veränderung unserer freiheitlichen Grundordnung. Was wir nicht hinnehmen können, das wären friedensgefährdende Abenteurer in der Regierung. Herr Wowereit, Herr Gysi, wir hören!

Der Autor ist Generalsekretär der FDP. Auf seiner Homepage www.dirk-niebel.de steht Näheres zu der Auseinandersetzung mit den Argumenten Norman Paechs.

Dirk Niebel

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