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Gastkommentar: Keine Friedensmission für Gaza

Die Raketenangriffe der palästinensischen Hamas-Bewegung auf Israel und die israelische Militäraktion im Gazastreifen zeigen, dass der nahöstliche Friedensprozess stillsteht. Ein UN-Einsatz wäre denkbar. Jedoch wären die Risiken unüberschaubar.

Auch nach einer Waffenruhe werden die beiden Konfliktparteien sowie Ägypten wahrscheinlich nicht allein in der Lage oder gewillt sein, den Waffenschmuggel in den Gazastreifen zu unterbinden. Es könnte weiterhin Raketenangriffe vom Gazastreifen aus auf israelisches Territorium geben – der Auslöser der jüngsten Eskalation wäre nicht dauerhaft beseitigt. Zahlreiche westliche Politiker favorisieren daher eine vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) mandatierte internationale Truppe, die diese Aufgabe übernehmen soll. Auch in Deutschland sind bereits Stimmen laut geworden, dass sich die Bundeswehr daran beteiligen sollte. Zieht man die Erfahrungen bezüglich des Erfolgs deutscher Auslandseinsätze heran, so ist jedoch mehr als fraglich, ob eine solche Mission zum gegenwärtigen Zeitpunkt Erfolg haben kann.

Selbst wenn es einer internationalen Truppe gelänge, die mehreren hundert Tunnel wirksam zu kontrollieren und damit den Waffenschmuggel weitgehend zu unterbinden, lehrt die Erfahrung der Unifil-Mission im Libanon, dass Waffenschmuggler andere Transportwege finden werden und dass eine solche Aufgabe nur mit einem personellen und technischen Aufwand zu bewältigen ist, den kein Truppensteller zu tragen bereit ist. Zudem sind die von der Hamas verschossenen Raketen technisch verhältnismäßig einfach und preiswert herzustellen. Selbst mit einer solchen internationalen Truppe wird der Beschuss Israels also nicht zu beenden sein.

Während ein Mandat der Vereinten Nationen nur begrenzte Erfolgsaussichten hätte, wären die mit einem solchen Einsatz verbundenen Risiken unüberschaubar: Durch einzelne radikale Palästinenser, die eine Waffenruhe mit Israel ablehnen, könnten Angehörige des internationalen Kontingents genauso verletzt oder getötet werden, wie durch erneute Luftangriffe Israels in dem Fall, dass der Raketenbeschuss auf Israel nicht beendet werden kann. Im besseren Fall wäre die UN Truppe wirkungslos, im schlechteren Fall würde sie zwischen den Fronten zerrieben werden.

Unklar bliebe auch die Frage, wie der Erfolg einer solchen Mission gemessen wird und wann der Zeitpunkt für den Ausstieg eines deutschen Kontingents gekommen ist. Denn Ziel deutscher Auslandseinsätze muss sein, sich nur an solchen Missionen zu beteiligen, die in absehbarer Zeit mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu Ende geführt werden können. Im Falle Gazas droht genau das Gegenteil: die Beteiligung an einer zeitlich unbegrenzten Operation, die von den Konfliktparteien mehr geduldet als gewünscht ist und deren Auftrag allein militärisch nicht durchführbar sein wird. Schließlich ist völlig unklar, an wen die Verantwortung für die Sicherheit an der Grenze zwischen Israel und Gaza letztlich übergeben werden kann: an Ägypten, an die Hamas, an die palästinensische Führung im Westjordanland, oder schließlich doch wieder an Israel?

Es ist ein verständlicher und lobenswerter Reflex der deutschen Politik und der Öffentlichkeit, das menschliche Leid der palästinensischen und israelischen Bevölkerung durch eine internationale Truppe beenden zu wollen. Einem solchen Einsatz muss aber eine nüchterne Abwägung der Chancen und Risiken vorhergehen. Angesichts der gegenwärtigen politischen Konstellation in der Region würde die Wirkung einer solchen Truppe mehr als begrenzt bleiben. Sie kann Israel und die Palästinenser nicht der Pflicht entheben, den politischen Prozess neu zu beginnen. Nur Verhandlungen können sicherstellen, dass der Raketenbeschuss auf Israel dauerhaft endet und dass die Menschen in Gaza zukünftig in Frieden und selbstbestimmt leben können.

Markus Kaim leitet die Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

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