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Gastkommentar: Mehr Moneten fürs Militär

Wirtschaftswissenschaftler geißeln Konjunkturpakete als kontraproduktiv. Statt der Abwrackprämie müsste der Verteidigungsetat steigen.

Die Kritik der Wirtschaftsweisen am letzten Konjunkturpaket hallte noch nach, während ein weiteres schon öffentlich diskutiert wurde. Der Verdi-Vorsitzende Bsirske forderte mal eben weitere 100 Milliarden Euro, was die Regierung ablehnte und stattdessen die Mittel für die „Umweltprämie“ auf fünf Milliarden Euro erhöhte.

Dabei ist gerade dieses Wahlgeschenk von Wirtschaftswissenschaftlern ebenso wie von Umweltschützern als kontraproduktiv gegeißelt worden, und auch aus ordnungspolitischer Perspektive ist die Unterstützung der Bürger beim Autokauf keine genuine Staatsaufgabe. Während über die politische Notwendigkeit staatlicher Ausgabenprogramme weitgehend Einigkeit besteht, muss ihre Gestaltung sorgfältiger diskutiert werden. Die USA etwa haben Defizite in ihrer Infrastruktur ausgemacht, die nun mit Mitteln aus dem dortigen Konjunkturpaket ausgeglichen werden sollen.

Die Frage, welchen Verpflichtungen der deutsche Staat nicht nachkommt, beantwortet ein Blick in die Verträge der Nato. Statt der vereinbarten zwei Prozent des BIP investieren wir nur eineinhalb in die Bundeswehr, aktuell würde Deutschland nicht neu ins Militärbündnis aufgenommen werden. Dabei war die Bundeswehr in ihrer Geschichte nie so gefordert wie heute: Deutsche Soldaten sind derzeit vor den Küsten des Libanons und Somalias, am Horn von Afrika, auf dem Balkan und in Afghanistan tätig. Sowohl bei der Bekämpfung der Piraterie als auch am Hindukusch sind die Kräfte aber offensichtlich überfordert.

Dass Deutschland in Afghanistan neben der dringend nötigen Bekämpfung der Taliban großen Wert auf „nation building“ legt, ist ehrenwert, aber ohne wesentlich mehr Geld und Soldaten ein hohles Versprechen. Insgesamt befinden sich derzeit knapp 60 000 Nato-Soldaten im Land, davon rund 3500 Deutsche. Was imposant klingt, relativiert sich schnell, wenn man bedenkt, dass nur ein Bruchteil des Personals außerhalb der eigenen Stützpunkte agiert – und dass im Vergleich alleine die Berliner Polizei 16 600 Polizeibeamte beschäftigt.

Die Nato-Selbstverpflichtung einzuhalten, hieße, das Verteidigungsbudget von 30 auf 40 Milliarden Euro zu erhöhen. Frankreich (2,6 Prozent) und Großbritannien (2,4 Prozent) liegen noch höher, mit 50 Milliarden Euro könnte Deutschland gleichziehen – und einiges spricht dafür: Die Bundeswehr erlebt schon seit Monaten einen Bewerberansturm, selten war es so leicht, motivierten Nachwuchs zu finden. Der Arbeitsmarkt in strukturschwachen Regionen, wo Armeestützpunkte traditionell zu den bedeutenden Arbeitgebern gehören, würde mit sofortiger Wirkung entlastet. Die Anschaffung von Rüstungsgütern sichert darüber hinaus Beschäftigung bei den Herstellern, entsprechend deren Wertschöpfung würde ein Großteil des eingesetzten Geldes tatsächlich der deutschen Wirtschaft zugute kommen.

Die deutsche Rüstungsindustrie investiert enorme Summen in Forschung und Entwicklung, hier gilt es, auch künftig in der Weltspitze mitzuspielen. Im Gegensatz zu den Autos von Opel erfreut sich zum Beispiel die Navigationstechnik von Litef weltweiter Nachfrage. Wenn Deutschland Obamas neue Außenpolitik des Dialogs unterstützen will, wäre eine militärische Entlastung der USA die richtige Geste, um die wiedererwachte Freundschaft zu dokumentieren. Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt klingt zwar nach Abrüstung. Aber die weltpolitische Lage gibt dennoch keinen Grund zur Hoffnung, in absehbarer Zeit würde der Bedarf an westlicher militärischer Handlungsfähigkeit schrumpfen.

Die Zeiten der Scheckbuchdiplomatie sind vorbei – zum Glück. Deutschland will mitgestalten und trägt dementsprechend auch militärische Verantwortung in der Welt. Jetzt haben wir die Möglichkeit, das politisch Gebotene mit dem Eigen-Nützlichen zu verbinden. Den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, ist das klügere Konjunkturpaket.

Der Autor ist freier Journalist und lebt in Freiburg.

David Harnasch

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