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Gastkommentar: Von parteipolitischer Verfolgung keine Spur

Wolfgang Clement bläst die Rüge der SPD unangemessen auf. Offensichtlich wissen weder er noch manche Kommentatoren, was wirkliche Drangsalierung durch eine Partei bedeutet.

Mein Gott, geht es nicht auch eine Nummer kleiner, möchte man Wolfgang Clement zurufen, der sich durch eine Rüge seiner Partei derart „drangsaliert“ fühlte, dass er sie nun fluchtartig verlassen hat. Am Sonntag sagte er im Radio sogar: „Ich sollte entmannt werden.“ Offensichtlich wissen weder Wolfgang Clement noch manche Kommentatoren, die darüber Krokodilstränen vergossen haben, was wirkliche Drangsalierung durch eine Partei bedeutet. Zum Beispiel, dass man nicht auf die Oberschule kam, wenn man sich konfirmieren ließ statt an der Jugendweihe teilzunehmen, in die CDU flüchtete, um nicht SED-Genosse werden zu müssen, oder seinen Arbeitsplatz in einer gleichgeschalteten Zeitung einbüßte, weil man nicht der NSDAP beitreten wollte.

Demokratische Parteien sind freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen ähnlicher Überzeugungen zum Zwecke der Umsetzung gemeinsamer Ziele in Staat und Gesellschaft. Wenn sich diese mehrheitlich vertretenen Überzeugungen wandeln, kann es sein, dass ich mit der meinen an den Rand des Geschehens gerate. So ging es Norbert Blüm auf dem berühmten Leipziger Parteitag der CDU, als er mit seinen sozialpolitischen Überzeugungen allein gegen alle stand, ohne dass er deshalb zur Wahl der Konkurrenz aufgerufen hätte. Und eben damit hat sich Clement diese Rüge verdient, die er jetzt zur parteipolitischen Verfolgung aufbläst.

Es mag ja sein, dass die Energiepolitik der Scheer und Ypsilanti töricht und die Zusammenarbeit mit der Linken für die SPD gefährlich ist, wie es die Leipziger Beschlüsse für die Volkspartei CDU waren. Warnen davor dürfen alle – außerhalb wie innerhalb der Partei – allerdings müssen sich Mitglieder Mehrheiten und Beschlüssen beugen, andernfalls hört die Partei auf zu bestehen, da sie keine gemeinsamen Ziele mehr hat, geschweige denn durchzusetzen vermag. Ob es in einer Mediengesellschaft von der Partei allerdings klug ist, den Mehrheitswillen mit Sanktionen zu bewehren, steht auf einem anderen Blatt.

Hätte sein alter Ortsverein nicht den Ausschluss betrieben, wären Wolfgang Clements Ausflüge in die hessische Landespolitik längst vergessen und kein Hahn würde heute noch danach krähen. So ist der Schaden groß – für die SPD. Wenn es das war, was Clement wollte, als er zuerst kämpfte und dann hinschmiss, hat er alles richtig gemacht. Allerdings: Sozialdemokraten ohne Parteibuch gibt es nicht – außer in Talkshows.

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