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Meinung: Gastkommentar

Was haben sie nur alle mit München? Frank Steffel, der abgewiesene Liebhaber, der Berlin verführen wollte, hat lauthals verkündet, dass München die schönste Stadt Deutschlands sei.

Was haben sie nur alle mit München? Frank Steffel, der abgewiesene Liebhaber, der Berlin verführen wollte, hat lauthals verkündet, dass München die schönste Stadt Deutschlands sei. Eine selbstmörderische Strategie - den Charme einer Frau zu rühmen, wenn man eine andere erobern will.

Edmund Stoiber, von dem man annimmt, dass er in Berlin regieren will, hämmert jedem ein, der es wissen will oder nicht, dass er sich im noblen München durchaus wohlfühle, dass man ihn dort brauche und dass der Posten des Ministerpräsidenten von Bayern keinesfalls weniger Prestige habe als der des Kanzlers. Es fehlt nicht an Gelegenheiten, bei denen er Berlin, die Preußin, in den Schmutz seiner Verachtung zieht. Ist das die Koketterie eines Mannes, der es liebt, gefragt zu werden? Oder einfach nur unfassbare Taktlosigkeit?

Mein fußballbesessener zweieinhalbjähriger Sohn, murmelte vor Glück strahlend seine ersten dreisprachigen Worte: "Maman, icke Bayern!" Keine Chance, ihn zu einer anderen Meinung zu bringen. Weder der Sieg der Bleus, der französischen Nationalmannschaft, noch seine moralische Verpflichtung als ein im Wedding geborener Berliner konnte daran etwas ändern.

Und die Bayern selbst? Als Musterschüler der Deutschen deklinieren sie rauf und runter, was ihre Ehrentafel schmückt, bis einem der Kopf schwirrt: Bei den Belastungen durch Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Kriminalität geben sie das vorbildliche Schlusslicht in Deutschland. Beim Wirtschaftswachstum und bei der Exportrate sind sie vorne dran. Bayern hat die besten Schulen. Ganz zu schweigen von der Lebensqualität - aus Sicht der Münchner sind die anderen deutschen Großstädte hässliche Favelas, in denen die Mafia und die Terroristen das Sagen haben. "Wir sind so sehr die Besten, dass ganz Deutschland davon träumt, uns nachzuahmen", schmeicheln sich die Bayern. Da kommt mir eine Liedzeile von Brassens in den Kopf. Er macht sich lustig über den Lokalpatriotismus der "glücklichen Dummen, die irgendwo geboren sind".

Aber nach drei Tagen in der "heimlichen Hauptstadt" verfalle auch ich ihrem Charme: die gute Küche, die Schönheit der Stadt, die Spitzen der Alpen, die man bei klarem Wetter sieht, die Nähe zu Italien, die barocke Sinnlichkeit der Bayern ... Oh, wie mir mein Berlin kalt vorkommt, da oben, an der östlichen Spitze Europas. Mein Herz zieht sich zusammen, wenn ich an die kulinarische Wüste denke und an den protestantischen Rigorismus meiner Wahlheimat. Haben sie nicht Recht: Frank Steffel, Edmund Stoiber - und mein kleiner Sohn? Ist es Zeit, umzuziehen? "Nach einer Woche würde dir München unerträglich vorkommen", versichern mir die Berliner. Zu konservativ, zu ausländerfeindlich, zu volkstümlich, zu bigott, zu übersättigt, zu schicki-micki, zu engstirnig, provinziell, kitschig, niedlich, sauber. "Berlin auf der anderen Seite ..." Wie ging noch mal das Lied von Brassens?

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