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Meinung: Gastrecht für Geiselnehmer Die EU nimmt Verbrecher auf – aber warum ohne Prozess?

Von Christoph von Marschall Andersherum wäre es ein Märchen aus tausendundeiner Nacht: Militante Christen besetzen die Kaaba in Mekka und nehmen moslemische Geistliche zu Geiseln; nach wochenlanger Entweihung der heiligsten Stätten dürfen sie unbehelligt abziehen, sich in einem Luxushotel erholen und ein neues, freies Leben beginnen, Familienzusammenführung inklusive. So tolerant ist der Islam.

Von Christoph von Marschall

Andersherum wäre es ein Märchen aus tausendundeiner Nacht: Militante Christen besetzen die Kaaba in Mekka und nehmen moslemische Geistliche zu Geiseln; nach wochenlanger Entweihung der heiligsten Stätten dürfen sie unbehelligt abziehen, sich in einem Luxushotel erholen und ein neues, freies Leben beginnen, Familienzusammenführung inklusive. So tolerant ist der Islam.

In der Wirklichkeit verhält es sich umgekehrt: EU-Staaten nehmen zwölf der 13 Schwerverbrecher auf, aus humanitären Gründen. Der EU ist nicht vorzuwerfen, dass sie einen Beitrag zur Beendigung der bedrohlichen. für viele Christen entwürdigenden Belagerung der Geburtskirche in Bethlehem leisten wollte. Man kann es in der Abwägung sogar rechtfertigen, mutmaßliche Terroristen aufzunehmen, sofern sie ihren Taten und ihrem Gefahrenpotenzial entsprechend behandelt werden. Die EU hat zwei andere Fehler begangen: In ihrem Eifer, endlich eine substanzielle Rolle im Nahen Osten zu spielen, hat sie das Problem nicht vom Ende her bedacht, sondern einen Kompromiss um fast jeden Preis angestrebt. Zweitens hat sie den Strafanspruch für ein so kapitales Delikt wie Geiselnahme aufgegeben. So weit kommt der Westen sonst nicht einmal Menschen entgegen, die aus einer Notlage Verbrechen begehen. Wer keinen anderen Ausweg weiß, als ein Flugzeug zu kapern, um einer Diktatur zu entfliehen, den liefern freiheitliche Staaten nicht an die Schergen aus. Er muss aber ins Gefängnis. Auch Ostdeutsche, die bei der Flucht aus der DDR Grenzer verletzten oder töteten, mussten sich dafür vor Gerichten der Bundesrepublik verantworten.

Die 13 Palästinenser können keine solche Notlage geltend machen – und sollen dennoch straffrei bleiben. Ein Skandal. Sie sind weder Freiheitskämpfer noch Kriegsflüchtlinge, sondern Kriminelle – selbst wenn man außer Acht lässt, was Israel ihnen vorwirft: Vorbereitung von Attentaten, Waffenschmuggel, Mord. Dafür kann man sie in der EU nicht einsperren, sie sind nicht überführt und verurteilt. Womöglich wäre es rechtsstaatlich problematisch, ihnen diese Prozesse hier zu machen, wenn man sich allein auf israelische Beweise stützen müsste.

Diese Anklagen sind aber so schwerwiegend, dass man sie in der politischen Beurteilung nicht übergehen darf. Was spricht dafür, dass solche Leute die Hände in den Schoß legen, ein ziviles Leben beginnen und sich nicht weiter als Drahtzieher von Mord und Terror betätigen? Die Hoffnung, sie würden sich in einer EU ohne Grenzkontrollen an das Reiseverbot halten, weil sie sonst ihr Aufenthaltsrecht verlieren, wirkt naiv.

So hat sich die spanische EU-Präsidentschaft die Weigerung mehrerer Mitgliedstaaten, sich an der Lösung zu beteiligen, selbst zuzuschreiben. Ein Strafprozess nach europäischem Recht wegen der unstrittigen Verbrechen in Bethlehem wäre die Mindestbedingung für die Hilfsbereitschaft gewesen.

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