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Meinung: Gefühlsneutrale Ungestalt

„Die hässlichste Flaniermeile der Welt“ vom 25. November Harald Martenstein spricht mir aus der Seele!

„Die hässlichste Flaniermeile der Welt“ vom 25. November

Harald Martenstein spricht mir aus der Seele!

Vor ca. vier Wochen habe ich mich beim zuständigen (Bau)Stadtrat Schulte über den hässlichen Stein ohne Holzauflagen zum Sitzen beschwert und erhielt die Antwort, dass in der Ausschreibung der Granitstein aus China der billigste war und deshalb geordert werden musste. China hat aber monatelang nicht geliefert, was die Baukosten so in die Höhe trieb, dass die geplanten Sitzauflagen und die LED-Leuchten im Boden gestrichen werden mussten. Eventuell wäre ein Sitzkissen-Verleih am Tauentzien eine neue Geschäftsidee und gleichzeitig ein Armutszeugnis für Berlin. Stein aus Deutschland oder Europa würde heimische Arbeitsplätze sichern, und gigantische Mengen an CO2 für die kürzeren Transportwege einsparen. Aber so weit darf ein Berliner Stadtrat nicht denken!

Christa Peschel, Berlin-Tempelhof

Ihren Artikel haben wir mit Interesse und großem Schmunzeln gelesen und haben uns natürlich diese Flaniermeile gleich einmal angesehen. Leider müssen wir Ihnen in sämtlichen Punkten zustimmen. Aber der Berliner hat ja immer schon Mut zur Hässlichkeit bewiesen, und was schön war, musste dann natürlich ins Gegenteil verkehrt werden.

Zudem können sich so die Gartenbauarchitekten nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI ordentlich bereichern. Wir fragen uns nur, ob die Verantwortlichen in ihrem privaten Bereich auch so einfallslos sind.

Ingrid und Michael Trautmann, Berlin

War die Städtebaupolitik in den 1950ern, 60ern und 70ern gemeinhin damit beschäftigt, jede Stadt – Ost und West übergreifend – zur bloßen Variante einer anderen zu machen, und kündete der Städtebau der 1980er bis ins Jahr 2000 davon, sich genau von diesem universalistisch einebnenden Gedanken zu verabschieden, d. h. wieder mit Anschaulichkeit des Ortes und mit Gefühl vorzugehen, also um jeweilige Einmaligkeiten zu wissen, so scheinen wir jetzt wieder bei ausgesprochenen Kopfgeburten gelandet. Wohltuende Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer um den Unterschied zwischen dem pfiffigen Interregio-Design und dem prestigeträchtigen ICE-Innendesign weiß, braucht sich wegen der gefühlsmäßig neutralen Ungestalt des zügig Aufgebauten und nach Auslaufen der Abschreibungsfrist flugs wieder Abgerissenen nicht zu wundern. Die Stadtentwicklung in kleinen Schritten versprach Menschliches im Gegensatz zur vorherigen Vogelperspektive, die von Entrücktheit gekennzeichnet war, gleich auch jetzt wieder – bei der Tauentzien – eine Planung, sich erschöpfend in Computer Aided Design.

Helmut Krüger, Potsdam

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