zum Hauptinhalt
Demonstranten protestieren vor dem Bundestag gegen den Haushalt, der für den BND 300 Millionen Euro für neue Überwachungstechnologien zusichert.

© dpa

Geheimdienste: Kampf den Aufklärern

Die Bundesregierung wehrt sich gegen Geheimdienstleaks – mit allen Mitteln.

Von Anna Sauerbrey

Immer wieder kommt es im NSA-Untersuchungsausschuss zu bizarren Szenen. Mal springt ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts von der Seitenlinie aus einem bedrängten BND-Zeugen zur Seite und unterbricht die Befragung. Ein anderes Mal kann sich ein BND-Mann mit Material vorbereiten, das die Bundesregierung für die Abgeordneten leider nicht rechtzeitig finden konnte.

Die Bundesregierung spielt mit schmutzigen Tricks, um die Ausschussarbeit zu torpedieren

Geschwärzte Akten, restriktive Aussagegenehmigungen, Feilschen um jedes Blatt Papier: Die Bundesregierung spielt mit vielen schmutzigen Tricks, um die Aufklärungsarbeit zu torpedieren. Nun greift sie auch zu rechtlichen Mitteln. Nach Informationen des „Spiegel“ plant die Regierung Anfang Dezember Anzeige gegen unbekannt wegen des „Verrats von Dienstgeheimnissen“ zu stellen. Genau damit hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier kürzlich gedroht, in einem Schreiben an den Ausschuss.

Angesichts der Ergebnisse der Ausschussarbeit kann man sich allerdings fragen: Wozu das Theater? Denn bislang steht es im NSA-Ausschuss eins zu null für die Geheimdienste. Zumindest im öffentlichen Teil fällt es den Abgeordneten schwer, ihre Hauptthesen zu untermauern. Die massenhafte Weitergabe von Daten Deutscher an die NSA? Fehlanzeige. Ein direkter Zugriff der NSA auf Abhörsysteme auf deutschem Boden? Ebenfalls ein Dementi. Man könnte fast meinen, die Bundesregierung habe Angst davor, dass die Welt erfährt, was der BND alles nicht kann.

Der NSA-Ausschuss zeigt: Es gab große rechtliche Bedenken bis hinauf in das Kanzleramt

Doch neben der großen These von der total überwachten Gesellschaft zeichnet sich ein Nebenschauplatz ab, der für die Regierung durchaus heikel werden könnte. Es zeigt sich nämlich, auf welch dünnem rechtlichen Eis sich die deutschen Geheimdienste im digitalen Zeitalter bewegen. Der BND hat Probleme, in der Ära weltumspannender digitaler Datenströme das, was er abfangen darf, von dem zu trennen, was er nicht abfangen darf. Dass dieses Problem durchaus bis hinauf in das Bundeskanzleramt Thema war, mussten Zeugen zugeben, wenn auch widerwillig. Und es war auch Thema ebenjener Medienberichte, gegen die das Kanzleramt nun indirekt so massiv vorgeht.

Geltende Gesetze werden "so gut wie möglich eingehalten"

Jahrelang hat es die Bundesregierung versäumt, einen offenen Dialog über die Lage der Geheimdienste im digitalen Zeitalter zu führen, geschweige denn eine mutige Reform gewagt. Man glaubte, sich hinter den Kulissen durchwurschteln zu können. Die fehlende technische Ausrüstung holte man sich bei den Amerikanern und machte sich dadurch zum Handlanger eines fragwürdigen Überwachungssystems. Innere Streitigkeiten über die Rechtskonformität der täglichen Abhörpraxis hielt man unter der Decke. Geltende Gesetze würden „so gut wie möglich eingehalten“, sagte bezeichnenderweise einmal der Unionsobmann Roderich Kiesewetter.

In der Nach-Snowden-Ära sind die Nachrichtendienste mehr als nur Behörden

Der BND selbst und auch die Regierung sehen den Geheimdienst weiterhin als eine Behörde, in der Probleme durch eine geschickte Beschaffungspolitik oder eine krude Rechtsauslegung der Hausjuristen gelöst werden können. Das Bundeskanzleramt verkennt, dass sie in der Nach-Snowden- und in der Google-Ära ein gesellschaftliches Thema geworden sind. Die Bürger werden wohl oder übel immer transparenter. Also muss es der Staat auch werden. Die neuerliche Drohgebärde hingegen wirkt, als gäbe es noch viel zu verbergen.

Zur Startseite