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Meinung: Gemeinsam sind wir schwach

Der UN-Einsatz im Libanon lässt Berlin nur die Wahl zwischen falsch und verkehrt

W ir stehen vor einer Premiere. Sie ist so traurig wie Besorgnis erregend, so fatal wie unvermeidbar: Nie zuvor in der deutschen Nachkriegsgeschichte wurden Bundeswehrsoldaten zu einer Mission entsandt, deren Auftrag unklarer, deren Verlauf unkalkulierbarer und deren Ausgang unsicherer war. Und trotzdem, das ist das Dilemma, ist sie notwendig, weil sie hilft, die weltweit gewünschte Illusion einer robusten Friedenssicherung aufrechtzuerhalten. Es gibt nur die Wahl zwischen falsch und verkehrt.

Ein deutscher Flottenverband soll demnächst, als Teil einer großen UN-Truppe (Unifil), vor die libanesische Küste ziehen. Das bedarf einer Anforderung aus dem Libanon und von den Vereinten Nationen. Und damit fängt das Chaos an. Denn in der libanesischen Regierung sitzen auch Minister der radikalislamischen Hisbollah-Miliz. Die torpedieren alles, was ihre Macht begrenzen könnte. Also sollen die deutschen Schiffe angeblich nur fünf bis sieben Seemeilen vor der Küste operieren dürfen. Mit der Überwachung des Waffenembargos wollen die Libanesen ausschließlich sich selbst betreuen. Dass indes die reguläre libanesische Armee jemals einen ernsthaften Konflikt mit der Hisbollah riskiert, ist unwahrscheinlich. Die Konsequenz wäre ein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges.

Was aber wird aus der Hisbollah-Miliz? Die Grenze zu Syrien, über die ein Großteil des Waffenschmuggels abgewickelt wird, bleibt von der Unifil-Truppe unkontrolliert. Sonst hätte Damaskus protestiert. Auch der Wasserweg scheint künftig weiter offen zu sein. Faktisch stellt sich folglich einer erneuten Bewaffnung der Hisbollah-Milizionäre niemand in den Weg. An ihre Entwaffnung per Waffengewalt glaubt selbst UN-Generalsekretär Kofi Annan nicht. Die ganze Mission lässt sich eher als groß angelegtes Entflechtungsmanöver begreifen, das Israel zum Rückzug veranlassen soll, ohne dass die Ursache der letzten Krise, die zum Krieg geführt hatte, wirksam bekämpft wird. Der nächste Krieg wartet schon.

Soll Deutschland deshalb den Bluff auffliegen lassen und sich verweigern? Nein, das darf es nicht – aber aus einem anderen Grund als jenem, den FDP und Linkspartei vorbringen. Einen Tabubruch wegen der deutschen Geschichte zu beklagen, ist der schwächste Einwand, zumal Israel das deutsche Engagement explizit begrüßt und das libanesische Kabinett ebenfalls einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst hat. Doch was würde geschehen, wenn Berlin seine Zusage jetzt plötzlich einkassiert? Dann, ja dann sähe sich Israel gezwungen, die Seeblockade aufrechtzuerhalten, die Libanesen würden wohl die Zusammenarbeit mit der Unifil beenden – und das ganze fragile Waffenstillstandskonstrukt bräche zusammen. Für eine solche Entwicklung kann niemand in Berlin die Verantwortung übernehmen. Und das ist die banale Restlogik dieses Bundeswehreinsatzes: Wir wollen nicht schuld daran sein, dass alles sofort scheitert, also machen wir mit, auch wenn später alle scheitern.

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