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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach ihrem Treffen in Paris.

© Reuters

Gemeinsame Wirtschaftsregierung: Ein Paukenschlag von Merkel und Sarkozy

In der Stunde der Not rücken Paris und Berlin zusammen und verkünden etwas, was von der Zielrichtung her grundlegender ist, als alles, was im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik seit Einführung des Euro geschehen ist.

Es geht also doch. Die alte menschliche Erfahrung, dass in der Stunde der existentiellen Not die Kräfte wachsen, treibt eben auch die Europapolitiker an. Wenn der Euro, wenn das bindende Glied des Vereinigten Europa in Gefahr gerät, handeln die europäischen Kernmächte Frankreich und Deutschland in der gemeinsamen Verantwortung, die immer auch eine Verantwortung für ganz Europa ist. Die Antrieb über die Achse Paris – Berlin funktioniert. Das mag theatralisch klingen, aber was Nicolas Sarkozy und Angela Merkel am Dienstagabend als Ergebnis ihrer Beratungen verkündeten, ist von der Zielrichtung her grundlegender als alles, was im Bereich der Finanz- und Wirtschaftspolitik seit Einführung des Euro auf der europäischen Ebene geschehen ist. Die Gemeinschaftswährung erhält endlich das Fundament, ohne das sie bislang ein Schönwetterbauwerk war, das der erste heftige Sturm fast zum Einsturz gebracht hätte.

Eine gemeinsame Währung kann ohne eine abgestimmte Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik nicht funktionieren. Griechenland droht, weil das alles fehlt, pleite zu gehen. Irland und Portugal mussten mit Krediten gerettet werden, bis alle begriffen, dass ohne eine Art abgestimmter und verbindlicher europäischer Wirtschaftsregierung das Problem auf Dauer nicht gelöst werden kann. Man kann nur hoffen, dass Merkel und Sarkozy gestern ihr Maßnahmenpaket nicht wie das Kaninchen aus dem Hut zauberten, sondern sich mit den Regierungschefs in Madrid, Rom, Den Haag und Lissabon, um nur die wichtigsten zu nennen, vorher abstimmten. Eine Schuldenbremse in den Verfassungen aller Euroländer, das ist ein großes Wort – aber ohne ein solches, selbst angelegtes Korsett des Wohlverhaltens wird es nicht gehen.

Dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und nicht etwa Kommissionspräsident Manuel Barroso der erste Vorsitzende dieser Wirtschaftsgipfel sein wird, stärkt die ohnedies mächtige Position der Staats- und Regierungschefs und ist eine politische Ohrfeige für den Chef der Kommission, der sich gerade noch mit wenig überlegten Forderungen nach einer Ausweitung des Rettungsschirms den Zorn Merkels und Sarkozys zugezogen hatte. Der französische Staatschef ließ gestern deutlich durchschimmern, wie sehr er und seine deutsche Partnerin Barroso sein Vorpreschen übel nehmen, hatte das doch zu einer neuerlichen Abwärtsbewegung an den Börsen geführt.

Etwas rätselhaft bleibt der Beschluss der beiden zur Einführung einer Transaktionssteuer. Die dämmt die Spekulation ja nicht etwa ein, sondern die Steuerkassen profitieren geradezu von ihr. Und da London als ohnedies wichtigster Finanzplatz sich nicht einbinden lassen will – andere, substantiellere Geschäfte werden in England kaum mehr gemacht – , besteht die Gefahr, dass Börsenumsätze in wesentlichem Umfang über den Kanal abwandern.

Angela Merkel bestreitet immer, auch gestern, dass die Lösung der Wirtschafts- und Währungsprobleme Europas mit einem Paukenschlag möglich sei. Klar, eine Naturwissenschaftlerin akzeptiert allenfalls den Urknall am Beginn des Universums als Paukenschlag, alles andere muss kontrolliert und gesittet geschehen. Aber die gestrige Ankündigung war eben doch genau dieser Paukenschlag, der Europas Orchestermitglieder aus dem Tiefschlaf weckte. Jetzt können sie sich ans gemeinsame Werk machen. Die Partitur für die politische Sinfonie mit dem Paukenschlag, nicht die Haydns, sondern Merkels und Sarkozys, liegt vor ihnen.

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