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Genosse der Bosse: Manager haben neuen Schutzpatron in Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil gegen Klaus Landowsky aufgehoben, er gilt übergangsweise wieder als unschuldig. Jeder, der mit viel Geld umgeht, das ihm nicht gehört, kann sich sicherer fühlen.

Gerettet hat Klaus Landowsky eine alte römische Rechtsregel, die er als Jurastudent an der Freien Universität kennengelernt haben dürfte: Nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz. Sein Handeln war falsch, doch womöglich verletzte es kein Strafgesetz. Nun freut sich der Mann, der nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts übergangsweise wieder als unschuldig gilt. Und nicht nur sich hat er einen Gefallen getan. Jeder, der mit viel Geld umgeht, das ihm nicht gehört, kann sich sicherer fühlen. Manager haben in Karlsruhe einen neuen Schutzpatron.

Das Gerechtigkeitsgefühl sträubt sich. Da ringt man sich durch, den Bossen, die sich und anderen mit fremdem Geld die Taschen füllen, mal den Prozess zu machen, und nun halten ausgerechnet die sonst als Bürgerrichter auftretenden Männer und Frauen in den roten Roben ihre Hand über eine Klientel, die Hilfe sonst eher selten nötig hat. Doch die Kehrtwende zur Oberklasse ist in Wahrheit keine. Die Justiz geht einen geraden Weg, sie bleibt sich und dem Grundgesetz treu, und dies bei einem Delikt, wo es besonders wichtig ist: Untreue.

Untreue ist seit Jahrzehnten einer der meistdiskutierten Tatbestände im Strafgesetzbuch. Historisch galt er für einige wenige Berufe, Vormünder, Güterpfleger, Schaffner oder Feldmesser. Wem Vermögen anvertraut ist, der muss sorgsam damit umgehen. Missbraucht er seine Befugnisse, droht Strafe. Die Nazis, für die Treue und Vertrauen ideologische Leitvokabeln waren, öffneten den Tatbestand, um ihn für politische Prozesse missbrauchen zu können. Heute, in der hochkomplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft mit ihren unübersichtlichen Firmengeflechten und Finanzgeschäften, ist die Untreue der klassische Manager-Paragraf. Eine leichtsinnige Kreditvergabe, eine unzulässige Gewinnausschüttung, geparkte Gelder, schon kann die Falle zuschnappen.

Die Karlsruher Richter haben nichts anderes getan als das, was die Gerichte seit Jahren tun. Sie haben die Voraussetzungen für Untreue-Verurteilungen präzisiert. Eine leichtfertige Kreditvergabe beispielsweise ist erst strafbar, wenn das anvertraute Vermögen dadurch konkret und messbar beschädigt wird – und der Täter dies zum Zeitpunkt der Kreditvergabe weiß und will. Denn hinterher sind alle schlauer. Deshalb wäre es wohlfeil, jedem Bankmanager einen Prozess zu machen, weil ein Kredit geplatzt ist.

Im Einzelfall wird der Nachweis künftig schwieriger, eine solche notwendigerweise sehr theoretische Schadensermittlung ist Expertensache. Die Richter müssen dazulernen und öfter externe Gutachter heranziehen. Aber das ist nötig, um den unscharfen Untreue-Tatbestand auf Fälle echten Unrechts zu begrenzen. Bloße Misswirtschaft ist straflos.

Unbestimmte Straftatbestände lassen Raum für politisierte Verfahren. „Politisiert“ heißt nicht immer „von oben gesteuert“, sondern es können Richter und Staatsanwälte selbst sein, die, bewusst oder nicht, einem Ressentiment nachgeben, sich populistisch entscheiden, weil sie es so für richtig, wahr und gerecht halten. Möglich, dass es bei Landowsky so war. Weshalb er vielleicht juristisch unschuldig ist. Unbescholten ist er nicht.

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