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Meinung: „Geschenk der Freiheit an mich selber“

Die Überraschung liegt weniger darin, dass der katholische Theologe Eugen Drewermann anlässlich seines 65. Geburtstages aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

Die Überraschung liegt weniger darin, dass der katholische Theologe Eugen Drewermann anlässlich seines 65. Geburtstages aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Sondern darin, dass er, der permanente Talkshowgast und omnipräsente Welterklärer, ein halbes Jahr verstreichen ließ, bis er entsprechende Gerüchte jetzt öffentlich bestätigte. Der Grund für dieses Zögern ist wohl darin zu suchen, dass sich die Rolle als Dissidenzkatholik und Ketzer light glaubhafter spielen lässt, wenn man dem Apparat angehört, den zu kritisieren man als Lebensinhalt gewählt hat.

Keine Überraschung in der Sache. Drewermann, der seinen Berufsweg als Pfarrer in Paderborn begann, später dort Professor wurde und eine psychotherapeutische Ausbildung anschloss, liegt seit langem im Streit mit der katholischen Kirche. Er zog gegen das Zölibat zu Felde und verlor 1991 seine kirchliche Lehrerlaubnis, als er das Dogma der Jungfrauengeburt abtat – seine theologische Arbeit hatte er schon länger darauf konzentriert, biblische Texte psychotherapeutisch auszulegen. Aus der aktuellen fachtheologischen Diskussion verschwand er zwar völlig, meldet sich aber praktisch zu jedem wichtigen Vorgang der katholischen Kirche zu Wort, in aller Regel mit negativem Unterton. Vom jeweils amtierenden Papst redete er nur noch im Zusammenhang mit „Papstschauspielen“, Wallfahrten sind für ihn „Religionsgeschäft“, und den Weltjugendtag in Köln hatte er schon als „Spaßevent“ und Religionsindustrie erkannt, als er noch nicht einmal richtig begonnen hatte.

Über die Jahre baute sich Drewermann als Vortragsreisender und Buchautor, als „moralische Ich-AG und Ratgeber für alle, die ein Problem mit Gott haben“ (Henryk M. Broder), eine große Anhängerschaft auf. Dabei gelang es ihm, das Segeln vor dem Sturm der öffentlichen Meinung gleichwohl als fortwährenden Tabubruch zu stilisieren. Das Böse manifestiert sich für ihn in George W. Bush und dem Drang des „Turbokapitalismus“ zum Öl, und als er am 11. September 2001 zufällig in einem SFB-Studio saß, formulierte er flink die Erkenntnis, der Massenmord sei die „Ersatzsprache der Gewalt, weil berechtigte Anliegen nicht gehört werden“. Die Berechtigung der Gewalt, gefolgert aus dem Ziel des Anschlags – einer jener Kurzschlüsse, die ihn nebenbei zum Chefrhetoriker der Friedensbewegung machten. Die Amtskirche ist er nun los und sie ihn; die Erleichterung wird auf beiden Seiten groß sein.

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