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Meinung: Gespielte Aufklärung

„Die Scham ist Komplizin“ vom 31. Oktober Wenn in Berichten über sexuelle Gewalt – wie jetzt gerade wieder anlässlich der Fälle von Kindesschädigung beim Eisenbahnverein der Wuhlheide – nach den (systemischen) Bedingungen gefragt wird, die den Tätern die (sexuelle, körperliche und seelische) Ausbeutung der Kinder erleichtern oder gar fördern, so wird immer wieder auf die Scham der Kinder hingewiesen, die, wie Robert Ide richtig bemerkt, zur Komplizin des Täters wird.

„Die Scham ist Komplizin“

vom 31. Oktober

Wenn in Berichten über sexuelle Gewalt – wie jetzt gerade wieder anlässlich der Fälle von Kindesschädigung beim Eisenbahnverein der Wuhlheide – nach den (systemischen) Bedingungen gefragt wird, die den Tätern die (sexuelle, körperliche und seelische) Ausbeutung der Kinder erleichtern oder gar fördern, so wird immer wieder auf die Scham der Kinder hingewiesen, die, wie Robert Ide richtig bemerkt, zur Komplizin des Täters wird. Eine Scham, die verhindert, dass die Kinder ihren Eltern von den Übergriffen erzählen. Zum einen, weil sie befürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird, zum andern, weil das Sprechen über Sexuelles in vielen Familien immer noch kaum gepflegt wird. Zu selten gibt es ein geläufiges Vokabular. Sexualität ist oft einfach kein Thema. Jugendliche machen eher aus Verunsicherung darüber Witze, beschimpfen und beleidigen einander mit derben Anspielungen. In solch einer Atmosphäre ist es schwer bis unmöglich, von sexuellen Übergriffen zu erzählen.

Seit einiger Zeit bietet das „Theater Havarie“ aus Potsdam ein (interaktives) Theaterstück für Kinder (Schulklassen/ Kita- und Hortgruppen) und Familien an, das die oben beschriebene Lücke füllt: Hier wird über Sexualität gesprochen (und gespielt), ohne dass – deswegen! – ein Funken Scham entsteht:

„Darüber spricht man nicht“, der alte, nichtsdestotrotz äußerst frisch und aktuell funkelnde Klassiker des Theaters „Rote Grütze“ ist von Ingrid Ollrogge und ihrem Team vom „Theater Havarie“ (http://www.theaterhavarie.de) neu in Szene gesetzt worden. Die Inszenierung bewährt sich in bisher über 35 Vorstellungen genau in dem Punkt: Das Sprechen „darüber“ wird mit Lust und Spaß gefüllt, die (etwaig vorhandene) Scham „davor“ verdünnisiert sich im Gelächter von Zuschauern und Spielern.

Man spricht, lacht und freut sich. Wer eine der Vorstellungen von „Havarie“ miterlebt hat, fragt sich hinterher, wieso der freundlich-lockere Umgang mit dem Thema Sexualität eigentlich so oft so verstellt ist.

Bislang spielt „Havarie“ sein Stück hauptsächlich in Potsdam und Brandenburg. Empfehlen möchte ich es aber allen, die einen konstruktiven Beitrag zum Schutz von Kindern gegen sexuelle Gewalt leisten wollen.

Darüber zu sprechen kann zu einem sehr guten Schutz vor sexueller Gewalt werden. Denn da, wo das Thema Sexualität ausgespart, verboten oder verdreckt wird, sind die Kinder und Jugendlichen in weit größerem Maße gefährdet, Opfer zu werden.

Günter Jankowiak, Berlin-Nikolassee

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