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Meinung: Gesund geredet

Die Union streitet weniger für den Patienten als um Einfluss

Von Robert Birnbaum

Die Union streitet über die Gesundheitsreform? Ach was. Die Union streitet über alles mögliche, nur nicht über die Gesundheitsreform. Ginge es bei dem Zank, der hinter den Kulissen schon seit Wochen schwelt und jetzt offen ausgebrochen ist, um ein Sachproblem – man könnte sich einigen, ohne lautstark zu werden. Es geht aber um anderes. Es geht um Ambitionen und Strategien, kurz, um Machtfragen.

Die Machtfrage Nummer Eins in diesem Zusammenhang stellt sich im Herbst in Bayern. Edmund Stoiber will nicht nur als Landesvater wiedergewählt werden, er will es mit Rekordergebnis. Das klappt aber nur, wenn die CSU neben dem angestammten Konservativen vor allem auch das angestammte Sozialdemokratische in sich hervorkehrt. Also: Reform ja, Anschein von Grausamkeit nein.

Übersetzt in die Gesundheitsfrage heißt das dann: mehr „Selbstbehalt“ ja – übrigens ein prima Euphemismus, weil der Patient mitnichten etwas behält, sondern im Gegenteil abzugeben hat –, aber Zahnarzt nur noch mit Sonderversicherung nein. An ihren Zähnen sind Wähler empfindlich. Dass die Sache weiter kompliziert wird durch Machtfrage Nummer Eineinhalb – die Profilierungs- und Karrierewege des Gesundheitspapstes und stellvertretenden CSU-Chefs Horst Seehofer – sei nur kurz der Vollständigkeit halber noch erwähnt.

Wichtiger ist Machtfrage Nummer Zwei: Wer hat das Sagen in der Union? Vielleicht nicht von Anfang an, spätestens aber mit seiner letzten spektakulären Steigerung ist der Gesundheitsstreit zur Probe auf die Anführerschaft in CDU und CSU geworden. Diesmal mit leicht vertauschten Rollen: Die CDU-Chefin Angela Merkel, sonst gerne als zögerliche Populistin porträtiert, in Wahrheit aber in Wirtschaftsfragen oft recht neoliberal, betreibt den Teilsystemwechsel in der Krankenversicherung; die sonst so gern reformradikale CSU wettert gegen „Privatisierungsorgien“. Ein Kompromiss in der Sache wäre im Grunde leicht zu finden. Man könnte den Besuch beim Zahnarzt wie bisher von der Krankenkasse zahlen lassen und nur den Zahnersatz privat oder privat versichert finanzieren.

Vielleicht wird etwas in dieser Art am Ende herauskommen. In den Kategorien der Machtfrage Nummer Zwei würde das aber als Teilsieg eher der Bayern-Seite erscheinen. Das macht den Kompromiss schwierig. Vielleicht macht es ihn sogar unmöglich.

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