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Meinung: Gesundheit aus Korea

Klon-Erfolg macht eine neue Bioethik-Debatte notwendig

Von Alexander S. Kekulé WAS WISSEN SCHAFFT

Es hat jetzt also doch geklappt. Nicht in einem Geheimlabor der Raëlianer-Sekte, nicht bei dem römischen Großmaul Antinori und auch nicht in einem Top-Labor der USA. Den Durchbruch beim therapeutischen Klonen melden zwei Forscher aus dem koreanischen Seoul – und beweisen einmal mehr, dass sich Wissenschaft durch nationale Gesetze nicht aufhalten lässt.

Die Südkoreaner Hwang und Moon sind in Fachkreisen renommierte Experten. Sie haben keinen Menschen kopiert – „reproduktiv“ geklont – und dies auch nicht versucht. In Südkorea ist reproduktives Klonen ausdrücklich verboten, im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten der Erde. Die beiden Forscher haben vielmehr die Grundlage dafür gelegt, dass Ärzte eines Tages defekte Zellen eines Patienten durch neue, genetisch identische Körperzellen ersetzen können. Da der Ausfall bestimmter Zellen Ursache vieler unheilbarer Krankheiten wie Diabetes, Parkinson oder Alzheimer ist, könnte das Verfahren zu einer medizinischen Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden. Jetzt schaut die westliche Bioforschungs-Elite frustriert nach Fernost und fragt sich, ob die Behandlung der wichtigsten Volkskrankheiten künftig von Importen „Made in Korea“ abhängen wird.

Spätestens seit der Sensation von Seoul ist klar: Die westliche Welt hat sich beim therapeutischen Klonen ethisch und wissenschaftlich festgefahren. Bei der Methode wird eine menschliche Eizelle mit dem Erbmaterial des Patienten gefüllt und zum Wachsen gebracht. Nach fünf Tagen ist ein etwa stecknadelkopfgroßer Zellhaufen entstanden. Ihm werden die „Stammzellen“ entnommen, aus denen sich dann im Prinzip jede beliebige Körperzelle des Patienten nachzüchten lässt. Das Problem ist, dass der künstlich erzeugte „Zellhaufen“ definitionsgemäß nichts anderes ist als ein menschlicher Embryo. Dass Embryos in diesem frühen Stadium durch die Spirale, die Pille danach und bei künstlichen Befruchtungen sterben, wird weltweit akzeptiert. Ob sie auch für die Aussicht auf Heilung schwerer Krankheiten geopfert werden dürfen, ist jedoch heftig umstritten.

Die verhärteten Fronten im Streit um den frühen Embryo blockieren inzwischen auch Gesetze, die viel Schlimmeres verhindern sollen. In den USA ist das reproduktive Klonen immer noch nicht verboten, weil ein Teil der Volksvertreter nur zustimmen will, wenn auch das therapeutische Klonen untersagt wird. Aus demselben Grund blockieren die USA die deutsch-französische Initiative für ein weltweites Verbot des reproduktiven Klonens. An ein globales Verbot von Eingriffen in die menschliche Keimbahn, das eigentlich dringend vonnöten wäre, ist derzeit schon gar nicht zu denken.

Wie der Vorsprung der Südkoreaner zeigt, blockiert die festgefahrene Debatte auch die Wissenschaft. In den USA wird therapeutisches Klonen nicht staatlich gefördert, in Deutschland darf nur an längst veralteten importierten Stammzellen geforscht werden. Wenn sich der Westen ethisch weiter im Kreis dreht und wissenschaftlich nicht mehr mithalten kann, werden die wichtigsten bioethischen Fragen dieses Jahrhunderts demnächst woanders entschieden.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

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