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Gewalt unter Migrantenkindern: Schloss und Riegel

Von Caroline Fetscher

Am Anfang steht Erziehung. Eltern, die Schläge normal finden, Kinder, die Gewalt als das Übliche erleben: So sieht es in vielen Familien von Migranten aus, die Angst, Hass und Ohnmacht zu zentralen, frühen Erfahrungen machen. Wo Gewalt regiert, versagen Kinder eher in der Schule, finden dann weder Ausbildung noch Job und werden später häufig selber gewalttätig. Diese fatale Kettenreaktion beschreibt die Studie „Gewalt von Jungen, männlichen Jugendlichen und jungen Männern mit Migrationshintergrund in Berlin“. Der Senat legte sie in Gestalt der Landeskommission Berlin gegen Gewalt bereits vor Monaten vor.

Dringend empfehlen Experten darin massive, millionenschwere Programme für den Ausbau von Kindergärten und Bildungssystem, gezielte Arbeit mit türkischen, arabischen, russischen und ex-jugoslawischen Eltern, Sprachförderung, mehr Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Schulen und Polizei, das Stärken der Elternkompetenz in puncto Kinderrechte und Bildung, das Herstellen von mehr Rechtsbewusstsein, besonders unter Jugendlichen. Erstmals fügt eine Studie die horrenden Puzzleteile aus Kriminalstatistik, Erhebungen zu häuslicher Gewalt, demografischer Entwicklung und Arbeitslosenzahlen zu einem so klaren wie alarmierenden Bild der Ursachen und Wirkungen zusammen. Entstanden war eine Berliner Datenbasis, die nach Sofortmaßnahmen schreit.

Geschehen ist seither nichts. Nicht einmal auf dem Papier liegt ein konkreter Plan vor, kein Ansatz eines Programms. Intern streiten sich Senatsverwaltungen über den richtigen Weg, Gewaltprävention kostet Geld, zahlen will keiner. Wie alle Ballungsgebiete befindet sich Berlin im demografischen Wandel. Der droht mit Kometengeschwindigkeit an der Politik vorbeizuschießen, selbst da, wo sie Wandel und Handlungsbedarf erkennt – was diese Studie ermöglicht, die sich als „ersten Schritt“ eines Prozesses versteht. Neben dem Kindeswohl ist ihr Hauptargument, dass von einer Mehrheitsgesellschaft in Berlin kaum noch die Rede sein kann. In Hamburg hat jeder zweite Einwohner unter achtzehn Jahren Migrationshintergrund, in Berlin sind es vierzig Prozent. 50 Millionen Euro pro Jahr investiert Hamburg in Integration, damit das soziale Gefüge nicht explodiert. Fast zehnmal so viel wollen wir uns das Berliner Stadtschloss kosten lassen. Womöglich werden diese Millionen bald für den Bau neuer Haftanstalten gebraucht, um noch mehr junge Männer hinter Schloss und Riegel zu bringen.

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