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Meinung: Gibt es den gerechten Krieg?

Berichterstattung zum Arabischen Frühling Seit Jahren ist der Weg in die arabische Demokratie ein steiniger, er fordert bereits abertausende Opfer. Gerade in diesem Augenblick bietet sich die Möglichkeit zu zeigen, dass wir demokratiewillige Menschen nicht alleine lassen.

Berichterstattung zum Arabischen Frühling

Seit Jahren ist der Weg in die arabische Demokratie ein steiniger, er fordert bereits abertausende Opfer. Gerade in diesem Augenblick bietet sich die Möglichkeit zu zeigen, dass wir

demokratiewillige Menschen nicht alleine lassen. Erinnern wir uns, welch schmerzvolle Momente Demokratien in unserer Region bis zu ihrer Entstehung, oder auch zur Wiedergeburt, überstehen mussten. Unterdrückte Menschen haben das Recht, auf dem Weg in ihre Freiheit unterstützt zu werden. Dennoch stellt sich aber wieder einmal die Frage, gibt es ihn, den gerechten Krieg?

Viele behaupten, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Es ist erschreckend, mit welcher Unbedenklichkeit versucht wird, an der eigenen Macht festzuhalten. Menschenleben spielen dabei selten eine Rolle.

Peter Fuchs, Österreich

Was können wir tun, um die Menschen in den arabischen Staaten auf dem umkämpften Weg in Freiheit und Demokratie nicht allein zu lassen? Und, ebenso wichtig, was sollten wir nicht tun? Diese Fragen stellen sich angesichts des Bürgerkriegs in Syrien ganz besonders dringlich. Ist Krieg unter dem Banner von Freiheit und Demokratie gerecht und richtig? Je genauer man hinsieht, umso schwieriger wird es, klare Antworten zu geben.

Seit Ende des 2. Weltkriegs gilt in der Staatengemeinschaft gemäß UN-Charta ein allgemeines Gewaltverbot, ergänzt durch ein System der friedlichen Streitbeilegung und kollektiven Friedenssicherung notfalls auch mit militärischen Mitteln. Dennoch gelang es bisher nicht, innerstaatlichen Gewaltexzessen in großem Maßstab Einhalt zu gebieten. Nach dem Völkermord im afrikanischen Ruanda wurde der Ruf nach einer normativen Ordnung immer lauter, die eine Intervention erlauben würde, wenn Staaten der Schutzpflicht gegenüber ihrer Bevölkerung nicht nachkommen.

Eine Verpflichtung zur „humanitären Intervention“ aber relativiert das Gewalt- und Interventionsverbot der UN-Charta. Besonders problematisch wird die tendenzielle Unterminierung der UN-Friedensordnung durch eine internationale Schutzverantwortung, wenn sie selektiv erfolgt. In Libyen diente sie dazu, den Sturz der Regierung zu legitimieren. Westliche Kampfflugzeuge haben den Weg zum Sieg der Rebellen freigebombt. In Syrien würde das nicht funktionieren, zu unübersichtlich sind Kampfgeschehen und Fronten. Vor einem Einsatz mit Bodentruppen aber schrecken die Staaten zurück, die erklärtermaßen auf der Seite der syrischen Opposition stehen. Sie fürchten die voraussehbaren eigenen Verluste im Kampf um Städte und Dörfer. Aber ist der Preis für ihre Abstinenz nicht zu hoch – die hunderttausend Toten und ungezählten Verletzten, die Zerstörung, die zerfallene Ordnung, die massenhaften Flüchtlingsströme, die Destabilisierung der Nachbarstaaten? Sollte sich trotz aller Bedenken eine Staatenkoalition entschließen zu intervenieren, wird sie dies mit dem Schutz der Menschen vor schweren Menschenrechtsverletzungen begründen. Das wäre eine moderne Variante des gerechten Krieges. Die ihr zugrundeliegende Rechtsnorm der internationalen Schutzverantwortung grundsätzlich zu akzeptieren schließt aber nicht aus, über ihre Anwendung im Einzelfall zu streiten. Der politische Preis für eine Intervention ohne ein UN-Mandat würde die Bemühungen zur Verrechtlichung der internationalen Beziehungen und zum gemeinsamen Konfliktmanagement schwer beschädigen. Angesichts der ethno-konfessionellen Dimension des syrischen Bürgerkriegs müsste eine bewaffnete Intervention groß und auf Dauer angelegt sein. Nach den Erfahrungen im Irak und in Afghanistan sind politische Mehrheiten für die Übernahme von langfristiger Verantwortung nicht erkennbar. Es ist überdies zweifelhaft, ob sich angesichts des unübersichtlichen Kriegsgeschehens der Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten ließe.

Dies festzustellen bedeutet jedoch nicht, die Menschen allein zu lassen. Bemühungen um einen internationalen Verhandlungsprozess, in dem die USA, Russland und die EU sowie die Nachbarstaaten zusammen Druck auf die Bürgerkriegsparteien ausüben, sind zielführender als Waffenlieferungen oder das laute Nachdenken über militärische Interventionen. Doch schon eine lokale Reduzierung der Gewalt durch partielle Waffenruhen würde vor allem der unbewaffneten Opposition nützen und ihr die Chance bieten, wieder mehr öffentliche Unterstützung für einen Wandel ohne Gewalt zu erhalten. Jenseits des Streits über einen vermeintlich gerechten Krieg ist es erforderlich und möglich, die Menschen und Organisationen unterstützen, die das physische und soziale Überleben der Zivilbevölkerung zu sichern bemüht sind. Hilfe wird nicht nur zur Abwendung einer humanitären Katastrophe benötigt, sondern auch zur Stärkung der lokalen Strukturen ziviler Selbstverwaltung. Aus strategischer Sicht mag man den Krieg zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln erklären. Aber aus menschenrechtlicher Sicht ist er trotz bester Vorsätze nur allzu oft die Ablösung der Politik durch die Barbarei.

— Dr. Margret Johannsen ist Politikwissenschaftlerin am Institut für Friedensforschung und

Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg

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