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Meinung: Gipfel der Preistreiberei

Von Antje Sirleschtov

Mit Gipfeltreffen verhält es sich im Allgemeinen so ähnlich wie mit einem Zahnarzttermin. Wenn man sich erst einmal dazu entschlossen hat, lässt der Schmerz auch schon ein bisschen nach. Und so löst allein die Ankündigung eines Treffens der Regierung mit den Spitzen der Energiewirtschaft landauf, landab Erleichterung aus. RotGrün, lautet die erlösende Botschaft, kümmert sich und zieht jetzt mit harter Hand für die Interessen von Verbrauchern und Unternehmen in den Kampf. So weit, so gut.

Doch was kann wirklich herauskommen bei einem solchen Gipfelgespräch? Man muss kein Prophet sein, um schon jetzt zu wissen, mit welchen Erklärungen die Lobbyisten von RWE, Ökostromanbietern und Verbrauchern aufwarten werden. Die deutschen Energieunternehmen werden sich bei der Regierung nicht dafür entschuldigen, dass sie sich gerade mit einer saftigen Preiserhöhung daranmachen, die Produktionskosten in Industrie und Mittelstand nach oben zu drücken und damit die Einstellungschancen für heute noch Arbeitslose zu schmälern. Sie werden betriebswirtschaftlich argumentieren und sich nicht für die Konjunktur- und Arbeitsmarkthoffnungen von Rot-Grün verantwortlich fühlen. Auch zu erwarten, dass die Inhaber der Strom- und Gasnetze ihre Kalkulationen für die Durchleitungsgebühren urplötzlich nach unten korrigieren, wäre naiv. Zumindest würde das zu allerlei Irritationen bei den Aktionären der Konzerne führen.

Worauf sich die Gastgeber allerdings einstellen sollten, ist eine lange Auflistung all dessen, was sie am Ende selbst wie Preistreiber aussehen lässt. Denn ganz gewiss werden die Konzerne auf die Steuerbelastung und allerlei staatliche Abgaben bei Strom und Gas verweisen. Das allein macht ein Drittel des Grundpreises für Energie aus und geht eindeutig auf das Konto der Politik. Dazu kommen Transportgebühren, die Kunden und Ökostromanbieter seit langem kritisieren. Auch hier wird es gegen die Bundesregierung gehen, die nach Auffassung vieler erst überhaupt nicht, dann nur sehr zögerlich und nun, mit dem neuen Regulierungsgesetz, auch noch völlig unzureichend dagegen vorgegangen ist. Sollte man das Treffen also besser absagen, wenn nicht nur nichts dabei herauskommt, sondern das Ganze zum politischen Bumerang werden kann? Besser nicht. Denn vom Verschweigen und Nichtstun hat sich noch kein Zahnschmerz in Luft aufgelöst.

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