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Zwei Frauen gehen im Konstanzer Standesamt die "eingetragene Lebenspartnerschaft" ein: "Die volle Akzeptanz der Homosexuellen ist inzwischen mehrheitsfähig"

© dpa

Gleichstellung: Auch Konservative sollten für die Homo-Ehe sein

Großbritannien macht es vor, Deutschland muss folgen: Die Gesellschaft sollte froh darüber sein, wenn sich Schwule und Lesben auf das Wagnis Ehe einlassen, meint Malte Lehming. Denn die Ehe ist auch eine Haftungs- und Verantwortungsgemeinschaft.

Das Wort „Homo-Ehe“ ist eine Komposition. Sie setzt sich zusammen aus „Homo“, der Kurzbezeichnung für Homosexualität, und „Ehe“. Wer nur auf den ersten Teil schaut, ob aus Sympathie oder Antipathie, verdrängt das Wesentliche. Denn der Kampf für die Homo-Ehe ist auch ein Kampf für die Ehe, für den lebenslangen Weg, den zwei Menschen einander versprochen haben, miteinander zu gehen. Durch Dick und Dünn, in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet.

Der Ursprung für diese Bindung ist oft die Liebe, aber die Bindung selbst geht über die Liebe hinaus. Das Versprechen des Zueinanderhaltens gründet in einem Gefühl, setzt es aber nicht als alleinigen Maßstab für das Gelingen voraus. In der Ehe haben sich zwei Menschen auf die Zukunft festgelegt, ohne die Zukunft kennen zu können. Keiner weiß, was er oder sie in zwanzig Jahren für seinen Partner empfindet. Aber jeder kann sich vornehmen, auch in zwanzig Jahren noch an der Seite des Partners zu sein. Das ist mit Arbeit, Verzicht, Respekt, Verständnis und Kompromissfähigkeit verbunden. Wer mag, darf diese Tugenden konservativ nennen. Zumindest fügen sie sich in ein konservatives Weltbild recht gut ein.

Insofern überrascht es nur auf den ersten Blick, dass ausgerechnet unter einer konservativ-liberalen Regierung das britische Unterhaus für die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt hat. Premierminister David Cameron hatte sich explizit für die Reform ausgesprochen, weil sie „die Gesellschaft stärkt“. Seine Tory-Partei war zwar gespalten, doch Liberaldemokraten und die Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei stimmten fast geschlossen dafür.

In Deutschland, wo es statt der Homo-Ehe nur die eingetragene Lebenspartnerschaft gibt, würde eine Abstimmung im Bundestag zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Denn in der gesamten westlichen Welt, einschließlich den USA, ist die volle Akzeptanz von Homosexuellen inzwischen mehrheitsfähig. Barack Obama setzt sich dafür ein – und gewinnt die Wahl. Ob im liberalen Skandinavien oder den katholisch geprägten Ländern Spanien und Portugal, ob in Südafrika, Kanada, Island oder Argentinien: Dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, wird als Gebot der Gleichheit und Emanzipation betrachtet. Insbesondere Jugendlichen ist es heute egal, ob jemand hetero oder homo ist. Faktisch ist die Schlacht zwar noch nicht ganz geschlagen, aber die ideologisch Gestrigen sind in der Defensive.

Dabei sind die Abwehrreflexe gegen die Homo-Ehe nicht nur anachronistisch, sondern vor allem traditionsklammerig und horizontverengend. Statt froh darüber zu sein, dass sich Schwule und Lesben auf das Wagnis Ehe einlassen, dass sie sich binden und Verantwortung füreinander übernehmen wollen, werden Grenzen gezogen, die überflüssig sind. Das als bedrohlich wahrgenommene Ungewohnte des Gleichgeschlechtlichen verstellt den Blick auf das Großartige der Ehe.

Das deutsche Grundgesetz verpflichtet zum besonderen Schutz der Ehe. Davon leitet sich das Ehegattensplitting ebenso ab wie der Anspruch auf kostenlose Krankenversicherung des Partners, die Hinterbliebenenrente ebenso wie die finanzielle Verpflichtung im Falle der Heimpflege. Der Staat fördert das Modell Ehe, er bevorzugt es vor anderen Beziehungsmodellen. Denn die Ehe ist auch eine Haftungs- und Verantwortungsgemeinschaft. In einer alternden Gesellschaft kann das Zusammengehörigkeitsversprechen durchaus fünfzig oder sechzig Jahre lang dauern.

Es stimmt: Ein Drittel aller Ehen scheitert. Aber das heißt auch: Zwei Drittel halten bis zum Schluss. Und mehr als 80 Prozent aller Paare sind verheiratet – trotz hoher Mobilität, eines gesellschaftlich sanktionierten Single-Lebens, der Reform des Unterhaltsrechts. Die Ehe lebt also, Berichte über eine angeblich grassierende Bindungsangst sind übertrieben. Dem Ja in der Ehe folgt das Ja zur Ehe – und damit fast automatisch zur Homo-Ehe. David Cameron hat es vorgemacht, Angela Merkel sollte schleunigst nachziehen.

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