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Globale Sicherheit: Nur wer zuhört, wird verstehen

Die Sicherheitsarchitektur der Welt ist sehr viel komplexer geworden. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat in München bei der Sicherheitskonferenz mit Blick auf die künftige Rolle der Allianz dazu einen Begriff gefunden, der ahnen lässt, um was es geht: Kulturrevolution. Der Westen wird nicht umhinkommen, sich mit dem anderen Denken früher und beständiger auseinanderzusetzen, um nicht ständig aufs Neue überrascht zu werden.

Sie wissen es alle. Aber noch längst nicht alle wissen, wie sie damit umgehen sollen: Die Sicherheitsarchitektur der Welt ist sehr viel komplexer geworden. Es gibt große neue Mitspieler, die in Fragen von Krieg und Frieden entscheidende Rollen übernehmen. Zu den Ländern, mit denen etwa die Nato-Staaten konstruktiv ins Gespräch kommen müssen, gehören nicht nur der alte Konkurrent Russland und China, die andere UN-Vetomacht. Auch Indien und Brasilien sind inzwischen weit mehr als nur wirtschaftliche Großmächte. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat in München bei der Sicherheitskonferenz mit Blick auf die künftige Rolle der Allianz dazu einen Begriff gefunden, der ahnen lässt, um was es geht. Er sprach von einer Kulturrevolution und möchte das Bündnis zu einer global vernetzten Sicherheitsinstitution ausbauen.

Das wird die eine oder andere Nation – etwa Russland, das auf der Sicherheitskonferenz in München diesmal recht konstruktiv auftrat – irritieren. Ein russischer Vertreter verwies darauf, dass die Nato nur 28 Mitglieder habe, also weit entfernt sei von einer Mehrheit im Weltmaßstab. In Moskau sitzen wichtige Partner, deren Sorgen man ernst nehmen muss, schließlich wünscht man sich die Hilfe der Russen in Afghanistan, im Iran.

Immer deutlicher wird auch, dass es bei der Frage nach der Sicherheit und dem, was die Staaten darunter verstehen, nicht nur um Blockdenken oder unterschiedliche Sprachen geht. Die internationale Gemeinschaft spricht Englisch. Der chinesische Außenminister Yang Jiechi kann es fließend – doch seine Sichtweisen sind Lichtjahre von denen entfernt, die der Westen akzeptieren kann und will. Aber: Er ist zur Münchner Sicherheitskonferenz gereist, er redet, sucht das Podium der Nato. Nun muss eine Diskussion in Gang kommen, nur dann werden am Ende Vertrauen und Verständnis wachsen. Auch der Iraner Mottaki spricht perfekt Englisch, aber er redet über weite Strecken in Farsi. Was er sagte, war offenbar vor allem demonstrativ für die iranische Öffentlichkeit bestimmt. Politiker und Militärs, die solche Inszenierungen nicht gewohnt sind, empfanden es als quälend. Sie werden lernen müssen, damit umzugehen.

Mit all diesen Mentalitätsunterschieden werden sich auch die Sicherheitspolitiker der Welt zu arrangieren haben. In München weigerte sich der eine oder andere noch, mit ihm nicht genehmen Teilnehmern auf einem Podium zu diskutieren. Das wird sich ändern müssen. Es gibt neue Akteure, gewachsene Mächte, andere Themen. Internetangriffe zum Beispiel, Energiesicherheit, Klimafolgen. Jedes davon hat Auswirkungen auf die weltweite Sicherheit. Staaten sind heute viel mehr aufeinander angewiesen als noch vor 20 Jahren. In Afghanistan hat die westliche Welt gerade schmerzlich erfahren, wie wichtig die Einbindung von Nachbarstaaten in die Problemlösung ist. Die, die sich mit Sicherheit und Verteidigung befassen, werden neue Partner auch mit neuen Umgangsstilen einbinden müssen.

Das gilt noch aus einem anderen Grund: Die Finanzkrise macht sich in den Etats deutlich bemerkbar. Die Akteure wissen, dass sie die Lasten breiter verteilen müssen. Wenn mehr Schultern tragen, fühlen sich auch mehr Köpfe zum Erfolg verpflichtet. Zuhören ist Voraussetzung für ein Gespräch. Niemand muss die eigenen Werte über Bord werfen. Aber der Westen wird nicht umhinkommen, sich mit dem anderen Denken früher und beständiger auseinanderzusetzen, um nicht ständig aufs Neue überrascht zu werden.

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