zum Hauptinhalt

Meinung: Gnade des späten Vergessens

Von Robert Birnbaum Der Parteispenden-Untersuchungsausschuss geht zu Ende, wie er so gar nicht begonnen hatte: unspektakulär. Schlagzeilen machen die Bilanzen und Schlussfolgerungen der Parteien, die Sondervoten und das Konvolut des Sachberichts nicht mehr, eher pflichtschuldigst wird der Bundestag noch einmal darüber debattieren.

Von Robert Birnbaum

Der Parteispenden-Untersuchungsausschuss geht zu Ende, wie er so gar nicht begonnen hatte: unspektakulär. Schlagzeilen machen die Bilanzen und Schlussfolgerungen der Parteien, die Sondervoten und das Konvolut des Sachberichts nicht mehr, eher pflichtschuldigst wird der Bundestag noch einmal darüber debattieren. Außer Spesen nichts gewesen? Das Urteil ist rasch gefällt und ohne Zweifel populär. Es stimmt aber nicht.

Das verbreitete Urteil gründet sich zum einen auf den Eindruck, den das Gremium in den zweieinhalb Jahren seiner Tätigkeit hinterlassen hat. Der Eindruck ist – wir wollen höflich bleiben – nicht so gut. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob der Ausschuss von der Mehrheit von SPD und Grünen parteitaktisch instrumentalisiert worden ist. Natürlich ist er das. Aber die Empörung der Union geht am Thema vorbei. Der Untersuchungsausschuss ist ein politisches Gremium, in dem eine Seite sich die mutmaßlichen Vergehen der anderen vorknöpft; er ist kein Rat der Weisen.

Die Wahrheit ist allerdings auch, dass die Vertreter von SPD und Grünen allzu oft die Instrumentalisierung über den gesunden Menschenverstand gestellt haben. Sie haben vage Verdachtsmomente zum knallharten Beweis hochstilisiert, Nebenspuren zu einer neuen Großaffäre, unbedeutende Unklarheiten in einer Aussage zum eklatanten Hauptwiderspruch erklärt, kurz, sie haben einen Haufen Mücken zu Elefanten aufgeblasen. Dieses Muster zieht sich bis hin zur rot-grünen Bilanz, in der – mangels Nachweis strafrechtlich relevanter Bestechlichkeit der Regierung Kohl – der Verdacht „politischer Korruption“ konstruiert wird.

Diese Windmacherei ohne Puste hat der Untersuchung schwer geschadet. Sie hat den eigentlichen Skandal – Helmut Kohls geheimes Spenden- und Machtsicherungssystem – in den Hintergrund gedrängt. Sie hat Medien-Berichterstatter immer wieder gezwungen, ausgewiesene Polit-Schurken in Schutz zu nehmen gegen maßlos überzogene Attacken. Sie hat die Untersucher gerade in den Fernsehbildern nur als eifernde Parteigänger auftreten lassen.

Dieses Theater hat ein Manko verstärkt, das als zweiter Grund dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Negativ-Urteil zu Grunde liegt: Es ist dem Untersuchungsausschuss gegangen wie fast allen seinen Vorgängern – der Auftrag überforderte seine Möglichkeiten.

Der Maximalverdacht lautete: Die Regierung Kohl war bestechlich. Keine von vornherein überzogene Vermutung, denkt man etwa an die Groschenheft-Szene, in der der Straßenteer-Händler Schreiber dem CDU-Schatzmeister Kiep einen Millionen-Koffer zuschanzt. Dem Ausschuss blieb also gar nichts anderes übrig, als in Richtung „Gekaufte Republik“ nachzuforschen.

Zugleich war aber von Anfang an allen Beteiligten klar, dass – wenn nicht ein Wunder geschieht – dieser Verdacht nicht zu beweisen sein würde. Der Ausschuss ist keine Neben-Staatsanwaltschaft und kann es in einem Rechtsstaat nicht sein. Dass Zeugen, die in gleicher Sache Beschuldigte in einem Strafverfahren sind, ihre Aussage verweigern können, ist ärgerlich. In einem Rechtsstaat ist dies aber trotzdem zwangsläufig. Die Enttäuschung war daher programmiert.

Trotz alledem war der Ausschuss nicht überflüssig. Er hat mit einer großen Fülle von Material die Geschichte des Kohlschen Spendenskandals zusammengeschrieben. Er hat dem Puzzle selbst ein paar Steine hinzugefügt. Er hat aber vor allem eins geleistet: Er hat durch seine schiere Existenz der Gnade des schnellen Vergessens im Weg gestanden. Vielleicht ist das überhaupt, in aller Bescheidenheit, die Hauptaufgabe eines solchen Gremiums. Wenn es richtig ist, dass die Strafe für politische Vergehen in erster Linie eine politische sein muss, dann ist der Ausschuss Teil dieser Strafe.

Es passt dazu, dass fast zur gleichen Zeit auch die Justiz ihre Schlussbilanz aufmacht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass auch im Parteienrecht der Geist des Gesetzes nicht durch spitzfindig-scholastische Auslegung des Buchstabens verletzt werden darf. Wenn eine Partei einen falschen Rechenschaftsbericht vorlegt, muss sie dafür büßen. Die 21 Millionen Euro, die die CDU jetzt doch zahlen muss, schmerzen mehr als der Abschlussbericht. Aber auch das spricht nicht gegen den Ausschuss. Es ist schon Recht so.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false