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Meinung: Goethe-Institut: Eine neue Stimme für das Frühwarnsystem

Erst vor einem halben Jahr wurde der 50. Geburtstag des Goethe-Instituts rundum gefeiert.

Erst vor einem halben Jahr wurde der 50. Geburtstag des Goethe-Instituts rundum gefeiert. Im Koordinatensystem von Joschka Fischers Außenpolitik hat die Auswärtige Kulturpolitik ihren unbestrittenen Platz. Fest steht sie neben der Sicherheits- und der Außenwirtschaftspolitik als "dritte Säule" da, zu der sie Willy Brandt einst adelte.

Genützt hat das dem Goethe-Institut, dem Verein "zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit", allerdings nicht übermäßig viel. Die Sparmaßnahmen, die die größte der "Mittlerorganisationen" nun schon seit einem Jahrzehnt treffen, haben ihre Substanz angegriffen. 38 Auslandsinstitute musste Hilmar Hoffmann, der scheidende Präsident, in seinen knapp neun Jahren Amtszeit schließen.

Wenn schon Hoffmann, dessen knorrigem Charme sich von Kanzler Kohl bis zum Grünen Fischer kein Politiker zu entziehen vermochte, keine besseren Bedingungen zu erlangen vermochte, wie soll es dann seiner Nachfolgerin gelingen? Jutta Limbach, derzeit Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, wird zum 1. Mai die Nachfolge Hoffmanns antreten. Sie hat einen exzellenten Ruf als ebenso umgänglicher wie zielstrebiger Kopf zu verteidigen. Es dürfte ihr eher zum Vorteil gereichen, anders als Hoffmann nicht der Kulturpolitik zu entstammen. Als Lobbyistin der Kulturvermittlung, die sie von Stund an sein wird, spricht sie mit frischer Stimme.

Dass sie sich Gehör zu verschaffen weiß, steht außer Frage. Dass den Antworten der Bundespolitiker allerdings auch Taten folgen, ist die Hoffnung der Goethe-Leute. Sie übergehen beim Lamento über die Institutsschließungen zwar gerne, dass in derselben Zeit auch 19 neue Institute gegründet wurden. Doch dieses Wechselspiel von Einsparen und Neuerrichten, von Kontakte kappen und Kontakte knüpfen bezeichnet das Kernproblem der Auswärtigen Kulturpolitik: weniger dritte Säule als vielmehr nur fünftes Rad am Wagen zu sein.

Dabei war doch nach dem 11. September Ein- und Umkehr angesagt. Das "kulturelle Frühwarnsystem", als das der um Wortschöpfungen nie verlegene Hoffmann das Goethe-Institut anzupreisen wusste, stand mit einem Mal ganz hoch im Kurs. Doch die versprochenen, vergleichsweise winzigen Sondermittel aus dem Antiterror-Programm der Bundesregierung sind bislang nicht geflossen. Mit ihnen soll der "Dialog mit islamisch geprägten Ländern" forciert werden. In Pakistan zum Beispiel hätte das Goethe-Institut manches zu erspüren gewusst, wären seine Dependancen in Islamabad und Lahore nicht geschlossen worden. Seinerzeit stand Mittelasien nicht im Brennpunkt deutscher Außenpolitik. Deren Prioritäten folgen Neugründungen wie Schließungen der Goethe-Zweigstellen. So wurden Peking und Hanoi ganz wichtig, während die Filialen in Russland und den GUS-Staaten, nach 1990 hoch erwünscht, bereits wieder in die zweite Reihe zurücktraten.

Die Lehre, die sich aus dem Auf und Ab der außenpolitischen Konjunkturen ziehen lässt, klingt schlicht: Die Langzeitperspektive des Kulturdialogs lässt sich mit dem Sucher der Tageserfordernisse nicht betrachten. Der Nutzen eines einzelnen Auslandsinstituts ist kaum jemals zu wägen, geschweige denn zu beziffern. Die Fülle der Filialen im Ganzen ist es, die der Vertretung deutscher Interessen auf lange und über persönliche Beziehungen wirkende Dauer von Nutzen ist. Derzeit versehen 128 Zweigstellen in 76 Ländern ihre Arbeit. Wo indessen ein "Frühwarnsystem" gebraucht wird, lässt sich schwerlich voraussagen. Allein dass ein dicht geknüpftes Netz kultureller Anlaufstellen elementaren Nutzen stiftet, dürfte im Jahr 2002 keinem Zweifel mehr unterliegen.

Darauf wird Jutta Limbach pochen müssen, wenn sie das Goethe-Institut in eine spannungsvolle Zukunft führt: die eines weltweiten Dialogs der Kulturen.

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