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Graf Nayhauss: "Aufhören? Merkwürdige Vorstellung“

1.046.765 Kilometer mit Spitzenpolitikern unterwegs: Der Kolumnist Meinhardt Graf Nayhauss lüftet die "Geheimnisse der Kanzlerreise".

Aufgefallen ist er immer nur durch Anwesenheit. Denn in den Vordergrund geschoben hat sich Graf Nayhauß nie. Dafür wieselte der kleine Herr im Hintergrund, fast so lange diese Republik einen politischen Betrieb hat, erst in Bonn, nun in Berlin: ein scharfes Profil, immer sorgsam gekleidet, Krawatte und Einstecktuch, eine journalistische Eminenz. Allerdings in einem in Deutschland eher raren, selten hochgeschätzten Genre.

Soll man es politische Gesellschaftsberichterstattung nennen? Oder, unfreundlicher, Klatschjournalismus? Es ist wahr, dass Meinhardt Graf von Nayhauß weniger Ansichten reportiert hat als vielmehr die anekdotischen Nebengeräusche. Auch wenn es wohl nicht stimmt, dass er sich für die Größe der Toilette der Kanzlermaschine in der Ära des großen Kohl interessiert hat: Fast alles andere, was das politische Leben zum Unterhaltungsstoff macht, hat er protokolliert, Gerüchte, Schwächen, kurz: das Menschlich-Allzumenschliche. Vor allem: das Verborgene, das alle wissen wollen. „Die Geheimnisse der Kanzlerreisen“ heißt der Titel seines Buches, das heute Abend in Berlin vorgestellt wird.

Tatsächlich hat er über 120 Reisen mit vier Kanzlern, mehreren Präsidenten, dazu sonstiges Spitzenpersonal absolviert: macht – wie die Luftwaffe ausgerechnet hat – 1374 Flugstunden und 1 046 765 Kilometer. Es ist zumindest diese Ausdauer, die ihn zu einer Instanz gemacht hat. Oder auch der Einfluss? Dass er mehr Politik bewirke als seine politischen Kollegen, ist freilich eine unbewiesene Behauptung, teils Kompliment seiner Bewunderer, teils Selbstbeweihräucherung der Zeitungen, für die er schreibt.

Das ist seit einem Vierteljahrhundert die „Bild“-Zeitung, die ihn allerdings vor drei Jahren den Tort angetan hat – da ging er auf die achtzig zu –, seine vier Kolumnen pro Woche auf eine zu reduzieren. Das hat ihn nicht zur Resignation veranlasst: „Aufhören? Merkwürdige Vorstellung“. Der bunte Vogel, der sein Nest durchaus stilbewusst nach dem Umzug am Pariser Platz vis-à-vis vom Adlon gebaut hat, kann und will nicht aufhören. Und irgendwie bleibt das ja auch singulär: der Spross eines preußischen Kavallerieoffiziers unter den „Pressebengels“, wie seine Vorfahren vermutlich diesen Beruf genannt hätten. Und sind es nicht wahrhaftig demokratische Zeiten, in denen ein Aristokrat mit Lust, Witz und Hingabe die journalistische Kammerdienerperspektive bedient? Hermann Rudolph

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