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Meinung: Grausige Zunft

RECHTSWEGE Gelegentlich graust es jeden vor dem Beruf, den er hat. Dem Journalisten widerfährt das, wenn Kollegen eine Grenze überschreiten, die nicht überschritten werden sollte, weil Schweigen wichtiger ist als dass Bedürfnis, darauf aufmerksam zu machen, wie fabelhaft man informiert ist.

RECHTSWEGE

Gelegentlich graust es jeden vor dem Beruf, den er hat. Dem Journalisten widerfährt das, wenn Kollegen eine Grenze überschreiten, die nicht überschritten werden sollte, weil Schweigen wichtiger ist als dass Bedürfnis, darauf aufmerksam zu machen, wie fabelhaft man informiert ist.

Der Däne Stig Töfting spielt derzeit für sein Land in der Fußballweltmeisterschaft mit. Er ist 33 Jahre alt, verheiratet und hat Kinder. Was ihm widerfahren ist, hat man einen „Tabubruch“ genannt. Doch das, was passierte, ist mehr. Es ist ein Gräuel.

Als Stig 13 Jahre alt war, tötete sein Vater seine Mutter und brachte sich dann selber um. Bislang war das mit Rücksicht auf die Kinder von Stig Töfting nicht publiziert worden. Doch nun hat die dänische Zeitschrift „Se&Hör“ die Grenze überschritten. Eine Zeitschrift, die Programme des Hörfunks und des Fernsehens bringt, muss schließlich mal über die puren Sendezeiten hinaus, auf sich aufmerksam machen.

Schwacher Trost: In Dänemark wurde die Zeitschrift als morallos gebrandmarkt. Kioske haben sich geweigert, das Blatt auszulegen. Die seriösen Zeitungen haben ihre Haltung dazu unmissverständlich gemacht. Doch in den Boulevardblättern kam die Geschichte auf die erste Seite, sie verschafften ihr noch mehr Aufmerksamkeit. Und sie und fügten der Geschichte sogar noch neue Einzelheiten hinzu.

Der Kapitän der dänischen Fußballnationalmannschaft hat das Verhalten der Boulevardpresse „unglaublich“ genannt. Vor allem verurteilte er die Fernsehillustrierte und teilte mit, dass Nationalspieler fortan Interviewwünsche von „Se&Hör“ zurückweisen würden. „Se&Hör“ ist nun einmal darauf erpicht, Intimes zu liefern. Und: sie ist bekannt dafür, dass sie für Informationen und Fotos gut bezahlt.

Nun muss also Stig Töfting mit seinen Kindern reden. Bislang galt so eine Art Abmachung zwischen ihm und den Journalisten, mit Rücksicht auf diese Kinder. Der Fußballspieler wollte sein Privatleben für sich behalten. Er hätte ein Recht darauf gehabt.

Da hilft nur eines: den Gürtel enger schnallen. Das fällt jedem schwer. Doch der Preis dafür, um jeden Preis mitzuhalten beim Enthüllen neuer privater Skandalnachrichten ist die falsche Rechnung. Sie wird hoffentlich auch vom Leser nicht honoriert werden. Denn der Leser wird spüren, dass da aufgebläht wird, dass es im Extremfall sogar um die Existenz geht. Auch die Leser sollten darauf bestehen, dass der schreibende Journalist „sauber“ bleibt und nicht versucht, sich im Konkurrenzkampf mit unredlichen Mitteln zu behaupten.

Bleibt er nicht sauber, so muss man ja nicht mehr lesen. Dann kann sich das Publikum ja gleich mit dem Bildschirm begnügen.

Gerhard Maunz ist Autor des Spiegel.Foto: D. Reinhartz

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