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Griebnitzsee: Enteignung ist nicht immer Teufelszeug

Nichts ist in dieser eigentumsversessenen Gesellschaft weniger politisch korrekt als eine Enteignung nach Artikel 14 Grundgesetz. Doch der Uferstreit in Potsdam hat nichts mit Marx zu tun.

Da wird Potsdam nun durch müssen. Schließlich sollen die 3,3 Millionen Euro für einen durchgehenden Uferweg am Griebnitzsee nicht umsonst ausgegeben worden sein. Dabei mag der gerichtsfeste Bebauungsplan selbst für diese Verwaltung noch die leichtere Übung sein. Das dicke Ende kommt, wenn enteignet werden muss.

Denn nichts ist in dieser eigentumsversessenen Gesellschaft weniger politisch korrekt als eine Enteignung nach Artikel 14 Grundgesetz. Schon als die kaum noch werthaltige Hypo Real Estate von der großen Koalition zum Schutz des Finanzsystems vor Ansteckung verstaatlicht wurde, gebärdete sich mancher FDP-Politiker wie ein Rumpelstilzchen. Schließlich ist Enteignung immer Teufelszeug und der Artikel 14 Grundgesetz bestimmt nur mit der Nachhilfe sozialisierungswütiger Labour-Politiker ins Grundgesetz geraten.

Und auch diesmal werden die Verteidiger eines gesperrten Uferwegs nichts unversucht lassen. Gesine Lötzschs Suche nach Wegen zum Kommunismus lässt grüßen. Da wird kein Argument ausgelassen bleiben. Zwischen Auschwitz – manche der ehemaligen Grundstückseigentümer waren Juden – und den schießenden Vopos auf dem Postenweg werden diejenigen sich wiederfinden, die den Griebnitzsee störungsfrei umrunden möchten: moralisch Minderwertige, die aus der deutschen Geschichte und zwei Diktaturen nichts gelernt haben.

Da braucht eine rot-rote Regierung, die am Ende enteignen muss, starke Nerven und die Stadt mit ihrer andersfarbigen bürgerlichen Arbeitsmehrheit schon allemal. Dabei ist dieser Versuch, sich in eine Reihe mit enteigneten Bauern, Handwerkern und Hausbesitzern zu stellen, so durchsichtig wie falsch. Was Nazis und Kommunisten aus rassischer und ideologischer Borniertheit vorantrieben, hat mit der jetzt wohl notwendigen Enteignung nicht das Geringste zu tun.

Denn die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit ist nicht jüngeren, sondern viel älteren Datums, sie hat in Deutschland den Bau von Schienenwegen, Bahnhöfen und Kanälen ermöglicht. Und der das durchsetzte – Otto von Bismarck – hätte sich sehr gewundert, wäre ihm eine Nähe zu Sozialdemokraten oder gar revolutionären Kommunisten unterstellt worden. Schließlich hatte der Erfinder des Sozialistengesetzes unseligen Angedenkens nichts mit Sozialismus im Sinn, wohl aber mit Eisenbahnen, die Menschen und vor allem Soldaten schnell über viel ursprüngliches Privatland transportieren sollten.

Enteignung ist also viel älter als Hitler und Honecker und hat rein gar nichts mit dem Elend der deutschen Geschichte in den Jahren zwischen 1933 und 1989 zu tun. Damals wie heute ging und geht es um den Vorrang des Gemeinwohls vor dem Eigennutz, nicht Karl Marx, der eiserne Kanzler ist deshalb der Pate für die nun notwendigen Maßnahmen. Übrigens war die Eisenbahn damals so umstritten wie der offene Uferweg heute. Wahrscheinlich hat auch damals mancher die Bahnhöfe, die späteren Kathedralen des Fortschritts, als „wilhelminische Rummelplätze“ empfunden.

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