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Ist die schwarz-gelbe Koalition noch zukunftsfähig?

© dpa

Griechenland-Abstimmung: Die Koalition verliert sich

Bei der Abstimmung über das neue Griechenland-Hilfspaket ging nicht nur die Kanzlermehrheit verloren: Für Europa geht es ums Ganze, doch aus dem Koalitionslager kam keine einzige neue Idee, Merkels Rede blieb kraftlos. Wer jetzt nicht steht, der fällt.

So beginnt es. Diesen Tag wird man sich merken müssen. Die Koalition verliert sich. Sie verliert dramatisch, nicht direkt ablesbar an den Stimmen, die ihr zur sogenannten Kanzlermehrheit fehlen, sondern an politischer Statur. Da sagt doch tatsächlich ein FDP-Abgeordneter, wenn es darauf ankomme, dann werde die Koalition stehen. Ja wann, wenn nicht jetzt, wo es ums Ganze geht, um Europa und den Euro und Milliarden? Was kann noch wichtiger sein, bei dem es zu „stehen“ gilt?

Vielleicht ist auch umgekehrt dies das Problem des Regierungsbündnisses: dass es sich nicht mehr vorwärts bewegt, intellektuell, inhaltlich. Sich verlieren heißt in diesem Fall, sich aufzuzehren und alle Kräfte in Händeln zu lassen, in Nicklichkeiten, in Ungeschicklichkeiten, die dann dazu noch das Miteinander fast unerträglich machen. Dieses Bild im Bundestag, wie sie nebeneinander sitzen, Philipp Rösler und Angela Merkel! Die Frosch- Geschichte hat mehr zerstört, als es den Anschein haben sollte. Sie hat eine Frau noch misstrauischer gemacht, deren zweiter Name Misstrauen ist: die Kanzlerin. Und wenn in einer Koalition erst das Misstrauen regiert, lässt sich damit das Land nicht mehr regieren.

Das sind die Abweichler der Koalition in Bildern:

Tatsächlich zeigt sich die mangelnde intellektuelle Schärfe, der Mangel an Durchdringung des Themas symptomatisch an Merkels Rede. Sie war derart kraftlos und uninspiriert, dass sich nur anfänglich die Lesart anbot, es könne wieder einer dieser Tricks der Kanzlerin sein, ihre Distanz deutlich zu machen. Also einerseits für die neue Athen-Hilfe zu werben, sich aber andererseits, weil Volkes Stimme es womöglich so wollen könnte, davon abzusetzen. Dafür sind allerdings ihre Worte zu unzweideutig gewesen, sie kommt in der Interpretation nicht weg von ihnen. Nein, die zweite Lesart ist die passende: Es war ein Beispiel für das Nachlassen der Schlagkraft. Einige Momente sah es so aus, als könne Merkel nicht mehr. Das war in der Rede und danach, als sie auf ihrem Platz saß. Der passende Begriff ist: erschöpfend behandelt.

Darum auch fehlte das Feuer des Politischen. Die Chance, über sich und sein Naturell hinauszuwachsen, ist vertan. Anstatt das Manuskript in die Ecke zu pfeffern und wie im antiken Athen in der Agora um Gefolgschaft zu werben mit allem, was das europäische Herz ihr sagt, stocherte die Kanzlerin durch eine hundertmal gehaltene Rede. Was aber ist Politik? Gewiss nicht mehr die geheime Kabinettspolitik vergangener Jahrhunderte mit Runden, in denen die Teilnehmer sich in der Kunst der Ränke und Rankünen maßen. Dazu ist alles heute auch viel zu öffentlich. Wenn Joachim Gauck, der Präsidentschaftskandidat, eines lehrt, dann das: Wer von einer Idee wirklich durchdrungen ist, dringt auch durch.

Und genau das braucht Europa. Wer es ernst meint mit der Rettung, wer immer wieder beschwört, dass jetzt alles getan werden muss – der muss selber alles geben. Das ist die Logik der Situation. Im Grunde müsste Merkel das gefallen: ein Versuch wie in der Physik, Ende offen, aber mit allen Möglichkeiten, neuen Möglichkeiten. Doch keine einzige neue Idee war von ihr oder der Koalition zu hören, nichts. Nicht einmal das Angebot, in Griechenland persönlich zu werben für das größte politische Projekt seit Einführung des Euro, mindestens. Wenn Europa Zusammenwachsen bedeutet und Gemeinsamkeit, dann auch gerade in der Not. Wann war Merkel nochmal in Athen?

Sagen wir es so: Wer jetzt nicht steht, der fällt.

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