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Meinung: Griechenland bleibt uns erhalten

Warum dem Pleiteland das Zeug zum Wahlkampfthema fehlt.

Von Antje Sirleschtov

Wie sich die Bilder doch gleichen: Regierung und Parlament in Griechenland ringen um schmerzhafte Einschnitte für die Menschen in ihrem Land, damit sie Geld sparen – und draußen auf den Athener Straßen machen tausende wütende Demonstranten ein Spardiktat der Europäer, vor allem der Deutschen, verantwortlich dafür. Das war im Frühjahr und Sommer 2010 so, das war im vergangenen Jahr so. Und jetzt, da Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach Athen fliegt, ist es wieder so.

Drei Jahre sind vergangen, seit klar ist, dass Griechenland seine Gesellschaft verändert und Strukturen umbauen muss, damit es überleben kann, in Europa oder auch außerhalb. Doch die Griechen, man kann es nicht freundlicher formulieren, reformieren ihren Staat und ihre Gesellschaft im Schneckentempo. Dass sie Teil Europas bleiben wollen, haben sie erklärt, und es ist ihnen nicht zu nehmen. Dass sie aber die Standards erreichen müssen, die es nun mal braucht, um in Europa auf eigenen Füßen zu stehen: Diese Erkenntnis scheint sich zwischen Athen und Saloniki nur sehr zögerlich zu verbreiten. Man wünschte, die Griechen würden zu altem Bürgerstolz zurückfinden und ihre Geschicke beherzter in die eigenen Hände nehmen, statt noch mehr Kraft für das Schimpfen auf die bösen Deutschen zu verschwenden.

Zur Erinnerung: Nicht der Bundestag und auch keine Bundesregierung haben einst nicht finanzierbare Rentenhöhen und Urlaubsansprüche für die Beamten in Griechenland festgelegt. Das waren die demokratisch gewählten Volksvertreter Griechenlands. Sie und nicht Wolfgang Schäuble haben auch die Milliardäre der griechischen Inseln jahrelang vor dem Zugriff der Steuerbeamten geschützt und damit zugelassen, dass der Staat finanziell ruiniert wurde. Gewählte Abgeordnete Athens haben den Staat aufgebläht und unfinanzierbar gemacht, gewählte Abgeordnete müssen nun dafür sorgen, dass das Land lernt, von dem zu leben, was es erwirtschaftet. Wer hier von deutscher Fremdbestimmung spricht, hat keine Ahnung.

Und wir Deutschen, was bleibt uns zu tun? Zunächst einmal: Ruhe bewahren. Wer nicht naiv ist, weiß schon lange, dass Griechenland nicht über Nacht zum ökonomischen Tiger Europas erwachen wird. Dass es länger dauern und womöglich mehr Kredite (und vielleicht sogar Geld) kosten wird, das Land in die Lage der Selbstfinanzierung zu bringen, ist keine Neuigkeit. Gut also, dass sich die Wahlkämpfer in Deutschland nicht gegenseitig vorwerfen, bei der Rettung des Landes versagt zu haben. Dass die Opposition der Regierung schlechte Haltungsnoten in der Sache gibt, ist beinahe selbstverständlich und wird auch in den letzten Wochen des Wahlkampfes kaum eine Rolle spielen. Schließlich wissen Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und auch Jürgen Trittin nur zu gut: Wer auch immer nach dem 22. September im Kanzleramt und im Finanzministerium das Sagen haben wird, an der weiteren Unterstützung unseres europäischen Nachbarn mit Geld und Taten wird kein Weg vorbeiführen.

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