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Reformmüde? Auf jeden Fall braucht Griechenland mehr Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen. Ein Mädchen schaut einer Parade zu am "Ochi-Tag", einem griechischen Nationalfeiertag.

© Reuters

Griechenland: Mehr Zeit bedeutet mehr Geld

Griechenland soll zwei Jahre mehr Zeit für Reformen bekommen. Das ist richtig, meint Gerd Höhler - bei den Reformzielen aber darf der Rest von Europa keine Nachsicht zeigen.

Erstaunlich, wie rasch sich die politische Agenda manchmal ändert. Nach vor wenigen Wochen schlossen alle maßgeblichen EU-Politiker kategorisch aus, Griechenland mehr Zeit für die Umsetzung seiner Haushaltskonsolidierung zu geben. Und mehr Geld sollten die Griechen erst recht nicht bekommen. Jetzt scheint so gut wie beschlossen: Griechenland werden zwei weitere Jahre eingeräumt, um seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. Und zusätzliche Kredite wird es wohl auch geben. Alles soll ganz schnell gehen: Schon am Mittwoch könnten die Finanzminister der Eurogruppe den Kurswechsel bei ihrer Telefonkonferenz besiegeln.

Setzt sich etwa endlich die Erkenntnis durch, dass es besser ist, einer Krise vorausschauend zu begegnen, statt ständig zu spät und zu zögerlich zu reagieren? Das wäre ein Fortschritt. Allerdings kommt die Erkenntnis, dass die bisherigen Rettungskonzepte nicht aufgehen, reichlich spät. Seit Monaten ist offensichtlich, dass Athen entscheidende Zielvorgaben nicht erfüllen kann: Weder wird das Land in der Lage sein, das Haushaltsdefizit bis 2014 unter die Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken, noch ist vorstellbar, dass Griechenland bis 2020 seine Schulden auf 120 Prozent vom BIP abbaut.

Das liegt nicht am mangelnden Sparwillen der Athener Regierung. Sie hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres sogar zwei Milliarden Euro weniger ausgegeben als im Sparprogramm veranschlagt. Dennoch wird Griechenland zum Jahresende das Defizitziel verfehlen, weil die Steuereinnahmen wegen der dramatisch schrumpfenden Wirtschaft wegbrechen. Außerdem lässt die Rezession die Defizitquote steigen, selbst wenn die Sparziele nominell erreicht werden. Die Annahmen, die den bisherigen Hilfsprogrammen zugrunde lagen, haben sich als falsch erwiesen. So prognostizierte der Internationale Währungsfond dem Land für 2010 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei Prozent. Tatsächlich waren es 4,9 Prozent. Für 2011 erwarteten die Volkswirte des IWF ein Minus von 1,1 Prozent – es waren 7,1 Prozent. Auch die Experten der EU-Kommission lagen daneben: Sie prognostizierten Griechenland für dieses Jahr ein Wachstum von 1,1 Prozent. Tatsächlich wird die Wirtschaft um fast sieben Prozent schrumpfen.

Es liegt auf der Hand, dass man ein Konsolidierungsprogramm anpassen muss, wenn sich die makroökonomischen Parameter so fundamental ändern. Griechenland braucht also mehr Zeit. Die Crux ist nur: Mehr Zeit kostet mehr Geld. Die bisher beschlossenen Hilfskredite laufen 2014 aus. Wenn man Athen bis 2016 Zeit gibt, werden weitere Gelder fällig. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte zwar in weiser Voraussicht schon bei der Verabschiedung des zweiten Griechenland-Rettungspakets im Februar von der Möglichkeit „weiterer Anforderungen“ gesprochen. Ein drittes aber dürfte derzeit in Berlin nur schwer durchsetzbar sein.

Kein Wunder: Nachdem Griechenland seine Reformversprechen in den vergangenen drei Jahren immer wieder gebrochen hat, ist das Misstrauen groß. Öffnung der Märkte, Privatisierungen, Bürokratieabbau, Kampf gegen die Korruption: All das ist bisher kaum vorangekommen. Immer noch scheuen die griechischen Politiker die Konflikte mit den mächtigen Zünften und Interessengruppen, die sich weiter vom Wettbewerb abschotten wollen. Wie sollen da ausländische Investoren angelockt werden? Die Griechen haben ihr Schicksal selbst in der Hand. Wenn sie ihre Reformagenda weiter vernachlässigen, wird das Land nie wieder auf die Beine kommen, auch nicht mit noch so vielen Rettungspaketen.

Eine Streckung der Haushaltskonsolidierung ist unvermeidlich. Und man wird auch prüfen müssen, wie man Griechenlands erdrückende Schuldenlast mindern kann. Beim Reformfahrplan aber darf es keinen Aufschub geben.

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