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Großbritannien: Labour - Kuscheln mit dem roten Panda

Der neue Labour-Chef ist Ed Miliband. Damit stimmt die Partei für den alten Traum vom Linksruck – der Aufprall in der Realität wird hart.

Man nennt ihn „Red Ed“, aber auch „Panda“, weil er so kuschlig ist und der Labour-Partei das Gefühl von Geborgenheit und alten Gewissheiten gibt. Mit Ed Miliband wählte die Labour Party den alten Traum, den Tony Blair ihr verweigerte: Dass der dauerhafte Rechtsruck umkehrbar sein könnte, den Großbritannien unter Margaret Thatcher machte. Ed bekräftigte das gestern noch einmal, als er sagte. „New Labour ist tot“.

Eine neue Generation trete an, behauptet Ed Miliband, kann aber den Verdacht nicht zerstreuen, dass er alten Wein in neuen Schläuchen verkauft. Mit der Wahl des jüngeren Ed statt des älteren David setzte Labour noch einmal auf den Traum, dass es eine progressive Mehrheit links der Mitte geben könnte, die ohne Rücksicht auf die wohlhabenden Mittelschichten im Süden regiert; also ohne Kompromisse mit wirtschaftlichem Egoismus, der verhassten Finanzwelt und den Bankern mit ihren Supergehältern.

Die Stimmen der Gewerkschaften sicherte sich Ed, indem er suggerierte, Großbritannien könne mit sehr viel weniger harten Einschnitten auskommen als den drakonischen Sparmaßnahmen, mit denen die Regierungskoalition den Staatshaushalt aufrichten will. Das mag kurzfristig stimmen. Langfristig gilt, dass diese Schieflage nicht nur eine Folge der Finanzkrise ist, sondern Großbritannien unter Labour schon lange vorher über seine Verhältnisse lebte.

Mit Ed Miliband träumt die Partei noch einmal von einer sozialdemokratischen Fairness-Gesellschaft, in der ein starker Staat das Leben aller verbessert, Sicherheit gibt, die Schwachen beschützt – und das alles mit einem sozialen Netz, einem Gesundheitswesen, einem Bildungssystem, das schon lange unbezahlbar geworden ist.

Doch nach der Wahl kommt das Erwachen. Das Programm, mit dem der neue Labourchef der „Thatcher der Linken“ werden will, muss erst noch entwickelt werden. Dann müsste er zeigen, dass es nicht nur für Kernwähler und Gewerkschaften, sondern eine Mehrheit der Wähler attraktiv wäre. Ed will enttäuschte Liberaldemokraten von der Koalition mit den Tories abwerben und Alt-Labourwähler aktivieren. Aber nicht einmal die eigene Partei glaubt, dass dies reichen würde.

Ed gewann knapp dank der Gewerkschaftsstimmen. Aber die Unterhausfraktion und das Parteivolk stellten sich hinter seinen Bruder David, im Wissen, dass die politische Auseinandersetzung in der Mitte stattfindet, mit Reformen, die sozialdemokratisches Gedankengut mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts verbindet. Diese Gruppen muss Ed jetzt erst einmal überzeugen.

Kein Wunder, dass sich David Camerons Tories als Gewinner fühlen, weil Labour einen Parteichef, aber keinen zukünftigen Premier gewählt hat. Doch es ist zu früh, Ed Miliband abzuschreiben. Dass er seinen Bruder David, den haushohen Favoriten, nicht nur herausforderte, sondern auch schlug, zeigt, welch gerissener Wolf unterm Pandapelz steckt. Und was in der britischen Politik passiert, hängt gar nicht von Labour ab, sondern von Camerons großem Vabanquespiel: Ob das Experiment, elf Prozent Defizit im Rekordtempo einer Parlamentsperiode auszulöschen, im politischen Triumph oder im wirtschaftlichen Chaos endet.

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