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Sigmar Gabriel und Angela Merkel reichen sich die Hände

© AFP

Große Koalition: Eine Chance für die SPD

Es gibt keine Naturgesetze in der Politik. Etwa eines, nach dem die SPD aus der großen Koalition automatisch wie ein gerupftes Huhn heraushumpeln muss. Was kann die SPD dieses Mal besser machen?

Von Antje Sirleschtov

Gute Politik ist die Kunst des richtigen Augenblicks genauso wie das Ergebnis weitsichtiger Entscheidungen. Am wichtigsten aber ist Selbstvertrauen. Eine Partei, die sich vom Wähler geschlagen fühlt und darauf wahlweise ängstlich oder trotzig großspurig reagiert, kann niemanden von ihrer Stärke überzeugen.

Was also muss die SPD, was muss Sigmar Gabriel tun, um eine neue große Koalition nicht zum schrecklichen Remake der letzten werden zu lassen? Zunächst einmal: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Angela Merkel 2017 noch einmal zur Wahl stellen wird, ist gering. Waren die vergangenen Jahre eine Zeit der innerparteilichen Fokussierung der CDU auf ihre zum Ausgleich neigende Vorsitzende, was den Deutschen ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität gab, folgt nun zwangsläufig eine Zeit der Polarisierung. Wer Merkel beerben will, wird Position beziehen müssen und Widerspruch ernten. Das wird die seelenruhige CDU selbst und das wird die Sicht der Menschen auf diese Partei verändern.

Bedenkt man außerdem, dass CDU und CSU im nächsten Bundestag keinen liberalen Außenrandspieler mehr zur Verfügung haben werden, wird klar: In Merkels Koalition wird in den vier nächsten Jahren die wirtschaftsliberale Opposition gleich mit sitzen. Muttis „Durchregieren“ wird das sehr schwer machen. Der innerparteiliche Streit um Steuererhöhungen vier Tage nach der mit beinahe absoluter Mehrheit gewonnenen Bundestagswahl lässt ahnen, was da noch kommen kann. Nicht ausgeschlossen also, dass die SPD in vier Jahren wie ein Stabilitätsanker der deutschen Politik glänzt. Und links, ja linker wird sie anmuten, zwangsläufig. Weil sich Merkel ohne ihre FDP ja auf jeden Fall ins Liberale und Konservative hineinbewegen muss. Und damit weg von dem Ort, wo man sich beim Volk mit populären (sozialdemokratischen) Themen lieb Kind macht, ohne liefern zu müssen.

Viel wichtiger als die absehbare Schwäche der anderen muss der SPD kurzfristig aber der eigene Weg sein. Dass Sigmar Gabriel die SPD-Basis befragt, ob sie eine große Koalition eingehen will, mag vielen als risikoreich und manchem auch als Führungsschwäche erschienen sein. Doch es war richtig. Gabriel hatte den Genossen bei der Übernahme des SPD-Vorsitzes mehr Mitsprache versprochen. Das muss er gerade jetzt – da es um eine existenzielle Frage der SPD geht – auch einlösen. Sonst wird er die Zauderer und Zweifler vier Jahre nicht mehr los und kann als Vizekanzler gleich einpacken.

Überzeugen wird die Parteiführung ihre Mitglieder aber nicht, wenn sie noch länger Guido Westerwelles Fehler aus dem Jahr 2009 wiederholt. Der einstige FDP-Chef nämlich fühlte sich mit seinen 14,6 Prozent wie der Wahlgewinner und versprach seinen Parteifreunden erst vollmundig, alle Forderungen aus dem Wahlprogramm gegen Merkels Unions-Truppe durchsetzen zu wollen und dann auch noch dessen Vollzug. Was folgte, ist Geschichte: Die FDP-Anhänger erkannten bald darauf mit Schrecken, dass es keine Steuersenkungen geben würde. Westerwelle hatte ihre Erwartungen an seine Kraft in der Koalition so hochgeschraubt, dass jeder Millimeter weniger wie ein Offenbarungseid wirkte. Am Ende herrschte Enttäuschung, stürzte die Partei ins Chaos und trieb noch mehr Wähler davon. Woraus man lernt: Wie das Ende einer Koalition aussieht, wird oft schon ganz am Anfang festgelegt.

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