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Große Koalition: Partei ohne Prokura

In der großen Koalition brandet der Dauerwahlkampf - und das schon lange vor der Nominierung Gesine Schwans als SPD-Kandidatin für die Bundespräsidentschaftswahl. Das Vertrauen der Union in die SPD ist verloren - die Koalition wird es trotzdem ertragen.

Hält die Koalition? Nie war es leichter, diese Frage zu beantworten als in ihrer schlimmsten Krise. Sie hält. Erstens, weil weder die Union noch die SPD den Weg eines konstruktiven Misstrauensvotums beschreiten können. Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit, eine Jamaikakoalition mit den Grünen keine Grundlage. Dass die SPD jetzt das rechnerisch mögliche Rot-Rot- Grün anstreben könnte, halten bis jetzt selbst die Misstrauischen für unmöglich, die ihr sonst nichts mehr glauben.

Und die Vertrauensfrage? Da müsste der Bundespräsident das Parlament auflösen. Horst Köhler, Staatsoberhaupt und zugleich Kandidat, kann und wird das in dieser Lage nicht tun. Wie aber hält die große Koalition bis zum September 2009 durch?

Schon vor der Nominierung von Gesine Schwan hatte sich ein langer Dauerwahlkampf angebahnt. Doch gab es bis dahin zwei solide Bastionen, die eine sachliche, wenngleich bescheidene Weiterarbeit möglich erscheinen ließen. Garanten für die Begrenzung eines bloßen Gegeneinanders waren bisher Angela Merkels Kabinett und die Achse zwischen den beiden Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck. Union und SPD haben ein gemeinsames Interesse daran, ihr jeweiliges Spitzenpersonal im Wahlkampf nicht als verantwortlich für einen Trümmerhaufen zu präsentieren; die Kanzlerin zumal will nicht als Chefin einer ganz und gar gescheiterten Regierung in den Wahlkampf ziehen.

Doch die Entscheidung der SPD für Gesine Schwan hat unerwünschte Nebenwirkungen auch dort, wo das Gefüge halbwegs fest schien. Es ist nicht zu übersehen, dass die Causa Bundespräsident das Ansehen der Kabinettsmitglieder und SPD-Vizechefs Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier in den Augen der Union beeinträchtigt hat. Der potenzielle Kanzlerkandidat wird nun süffisant als einer vorgeführt, der irgendwie gar nicht mehr vorkommt, wenn es um wichtige Entscheidungen geht.

Peter Struck wiederum, der sich am weitesten für Horst Köhler vorgewagt hatte, steht richtig im Regen. Lautstark tönt es aus der Union, dass man sich auf sein Wort nicht mehr verlassen kann. Für Struck, der seinen politischen Rückzug nach der Bundestagswahl bereits angekündigt hat, wird das letzte Jahr sehr sauer werden. SPD-Fraktionschef in der Konstellation einer großen Koalition zu sein, ist eine alles andere als dankbare Aufgabe. Sie erfordert einen Dauerspagat zwischen den Wünschen der Fraktion und den Zwängen der Koalition. In diesem Fall ist er ganz zugunsten der Wünsche entschieden worden, ohne dass Struck seine Rolle überhaupt spielen konnte.

Die Frage der Union, wer in der Partei- und Fraktionsspitze der SPD überhaupt noch Prokura habe, vergiftet die letzten sicheren Bastionen der großen Koalition. Die Union tönt natürlich lauter, als sie recht hat. Eine taktische Meisterleistung hat bei der Präsidentenkür auch die CDU-Chefin nicht geliefert. Darum ist garantiert: Das Gezänk geht weiter.

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