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Meinung: Grün ist nicht nur der Wald

Die kleine Volkspartei – das Projekt ist frei

Wie gut, dass es die Grünen gibt. An denen merkt man doch am besten den gesellschaftlichen und den eigenen Wandel. Als niemand – halt, einer: Herbert Gruhl – daran dachte, dass die Welt vor sich selbst gerettet werden müsste, kamen sie ganz groß in Mode: die Radikalökologen, die Öko-Libertären, die Friedensaktivisten, die Feministinnen und, nicht zu vergessen, die richtigen Linken, versprengte KBW’ler, die für eine ganz andere Gesellschaft kämpften. Sie alle sammelten sich, ergriffen Partei, wurden eine und machten sich auf den langen Marsch durch die Institutionen. Heute stellen sie schon den Vizekanzler und die Vizechefin des Parlaments. Auf dem Weg muss man, verständlicherweise, Ballast abwerfen, sonst kommt keiner so weit. Und nachdem in der Politik die Berufs-Unken out sind, die ewig das Unglück herausrufen, erklärt sich, warum ehemals linke Grüne heute das Waldsterben als gestoppt betrachten und die Autofahrer künftig von zu viel Belastung verschonen wollen.

Fünf Mark pro Liter Benzin – Gott, das ist lange her. Diese Forderung war damals schon noch ehrlich gemeint, wurde aber aus taktischen Gründen bei nächster Gelegenheit wieder einkassiert – man hätte ja verlieren können … Heute sind die alten grünen Begründungszusammenhänge endgültig von gestern. Das Bild von den „Grünen“, wie sie einmal existierten, ist eine romantisierte Fassung. Ja, die Tatsachen haben geputscht, mit dem Erfolg, dass die Grünen heute nicht einmal mehr die Kröten schlucken müssen, die sie früher retten wollten. Heute sind sie vielmehr ein Querschnitt durch alle Parteien: In der Steuerfrage auf Wirtschafts- und Unionskurs, christlich außerdem, bei den Bürgerrechten so rechtsstaatsliberal, wie die FDP einmal war, in der Sozialpolitik weitgehend auf dem Kurs der IG Chemie (obwohl sie sich sonst nicht riechen können). Und über die Außenpolitik kann sich Hans-Dietrich Genscher nicht beschweren, der auch über allen Wassern schwebte.

Was vielleicht klingt wie eine Übertreibung, ist doch wahr: Wer so weit gekommen ist, der darf eigentlich den Anspruch auf mehr als acht Prozent erheben. Der kann versuchen, eine kleine Volkspartei zu werden. Das Projekt ist ja jetzt wieder frei. Der Konkurrenz täte es auch ganz gut.

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