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Meinung: Guck mal, wer da tagt

Die FDP sucht nach Wegen aus der Bedeutungslosigkeit

Von Robert Birnbaum

Für alle, die es vielleicht noch nicht bemerkt haben: Die FDP ist gerade in Klausur gegangen. In Nürnberg will sich die Bundestagsfraktion der Liberalen auf den politischen Herbst vorbereiten und, weil Klausuren das so an sich haben, auch einmal über das Tagesgeschäft hinausblicken. Der Blick, wenn nicht jemand in Nürnberg rosarote Brillen austeilt, dürfte leicht trübe ausfallen. Die FDP macht wieder einmal eine Erfahrung, die sie in ihrer Geschichte öfter hat machen müssen: Zwischen den Großen ist sie mehr Getriebene als Antreiber.

Geradezu ein Lehrbeispiel dafür, wie die Großen mit einem kleinen Manöver ganz nebenbei der FDP den Bewegungsspielraum abschneiden können, ist das Outing des Regierungsduos Schröder-Fischer. Seit der Ober-Rote und der Ober-Grüne sich Treue bis zum Wahltag 2006 geschworen haben, ist die Koalitionsoption SPD für die FDP unplausibel geworden. FDP-Chef Guido Westerwelle wird trotzdem trotzig an der Behauptung festhalten, dass es keinen Bündnisautomatismus gebe. Aber wie sieht die Praxis aus?

Wenn demnächst der neue Bundespräsident gewählt wird, dann würde ein SPD-Erfolg, der mit FDP-Hilfe zustande käme, bestenfalls Gelächter auslösen. Das Manöver würde so wirken, wie es gemeint wäre: Als angestrengter Versuch, eine Vorfestlegung in der Koalitionsfrage zu umgehen. Aber Eigenständigkeit, zum letzten Prinzip erhoben, führt zur Politikunfähigkeit, weil sie nur noch als Taktieren daherkommt – selbst wenn, was ja durchaus vorstellbar wäre, das SPD-Personalangebot aus FDP-Sicht inhaltlich überzeugender ausfiele als das der Union. Das üble Echo, das die FDP für ihren inszenierten Ausstieg aus den Gesundheitsreformgesprächen kassiert hat, war dann nur ein Vorgeschmack.

Das Gesundheitsbeispiel verweist auf ein zweites Problem. Man möchte es ja eine honorige Haltung nennen, wenn eine Partei sich aus einem Minimalkonsens ausklinkt, der nicht mehr ist als eine Notoperation am röchelnden Patienten. Aber wenn die hehre ordnungspolitische Begründung sich mit der praktizierten Klientelpolitik für das Apothekerwesen beißt, bleibt unterm Strich wieder nur Taktiererei statt Eigenständigkeit.

Das ist das Problem: Wo die Großen sich einig sind, gerät die FDP auch wegen Inkonsistenz in ihrer eigenen Politik rasch in die Rolle des störrischen Störfaktors – wo sich die Großen nicht einig ist, hat die kleine FDP wenig Möglichkeiten, selbst ins Spiel zu kommen. Im Streit um die Steuerreform zum Beispiel würden die Liberalen nur zu gerne gegen alle Widerstände in der Union einer Steuersenkung zum Durchbruch verhelfen. Aber der FDP fehlen, trotz Koalitionen mit der CDU in den Ländern, die Machtmittel. Das könnte sogar eine Chance sein. Der Machtlose kann fern von Taktik an seiner inhaltlichen Glaubwürdigkeit arbeiten. Aber das hieße die Abkehr von der Inszenierung. Und die, siehe Gesundheit, fällt schwer.

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