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Alle reden über Guido Westerwelle - den scheidenden FDP-Chef, immer-noch-Außenminister und auch-noch-Vizekanzler.

© dapd

Guido Westerwelle: Unterkanzler gibt es nicht

In den vergangenen Tagen sah es fast so aus, als sei es wichtiger, wer gerade Vizekanzler als wer gerade Kanzler ist. Und dabei gibt es den Vizekanzler streng genommen gar nicht. Was es aber sehr wohl gibt, ist ein ärgerlich anschwellender Missbrauch der Sache selber.

Im Artikel 69 des Grundgesetzes steht: „Der Bundeskanzler ernennt einen Bundesminister zu seinem Stellvertreter.“ Es handelt sich dabei um einen bloßen (Abwesenheits-)Stellvertreter, nicht etwa um einen Neben- oder Unterkanzler in Permanenz, der irgendwie anstelle des Kanzlers regiert; sondern es geht allein um eine Stellvertretung für den Fall, dass der Kanzler selber gerade nicht kann. Ansonsten steht der Stellvertreter nur auf dem Papier. Zum anderen: Der Bundeskanzler allein ernennt einen Kabinettskollegen, den zuvor der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers zum Minister ernannt hat, aus eigener Vollmacht zu seinem Stellvertreter; und er kann ihm die Stellvertretung jederzeit durch einseitige Erklärung wieder entziehen, sie also einem anderen Minister übertragen. Wenn der bisherige Stellvertreter Westerwelle nicht mehr will oder kann, darf er das sagen – aber allein die Bundeskanzlerin entscheidet über ihre künftige Stellvertretung und nicht irgendein Parteiorgan der FDP.

Wohl wahr, es gibt natürlich politische Usancen, aber gelegentlich muss deutlich gesagt werden, was die Rechtslage ist. Immer anmaßender hingegen war das, was inzwischen aus dem sogenannten „Vizekanzler“ gemacht wurde, nämlich eine Art Unterkanzler der Minister des kleineren Koalitionspartners, der diese als quasi Vorgesetzter koordiniert und dominiert sowie sie als Vertreter gegenüber der Kanzlerin repräsentiert. Der Stellvertreter der Bundeskanzler ist aber, wie die Bezeichnung schon sagt, nicht etwa der zwar permanente und bevollmächtigte Vertreter, aber eben nur eines Koalitionspartners, also eines (zudem kleineren) Teils der Regierung, sondern – wenn der Fall je eintritt – der Stellvertreter des Regierungschefs, und zwar für die Regierung insgesamt.

Die Anmaßung ging inzwischen so weit (und zwar seit Franz Müntefering und danach Frank-Walter Steinmeier Stellvertreter von Frau Merkel wurden), dass der „Vizekanzler“ auch einen permanenten Extra-Staatssekretär zulasten des Steuerzahlers zugewiesen bekam (wobei dieser Mann dann, wenn Westerwelle als „Vize“ abgelöst wird, ohne fachliche Voraussetzung im Auswärtigen Amt untergebracht werden muss, obwohl er aus einer bloßen Parteifunktion rekrutiert wurde). Begründung für diese selbstherrliche Patronage: Das braucht der „Vizekanzler“ für seine vielfältigen Mühen, die Fachminister seiner Partei zu koordinieren. Pardon: Wenn der Stellvertreter des Bundeskanzlers die Kanzlerin wirklich einmal vertreten muss, dann hat er sich dabei auf den Apparat des Kanzleramtes zu stützen und nicht auf eine als Sonderstaatssekretär verkleidete Parteicharge. Und wenn die einer Koalitionspartei angehörenden Minister sich koordinieren wollen, dann können sie das in ihren Fraktions- oder Parteiräumen erledigen oder meinetwegen im Café Einstein.

Es handelte sich bei dieser willkürlich, unnötig und selbstherrlich herbeigeführten Praxis um einen eklatanten Formenmissbrauch, wie er seit der Kanzlerschaft Merkels auch an anderer Stelle zu beobachten ist. Philipp Rösler, was für ihn spricht, will auf einen Extra-Staatssekretär verzichten. Er sollte aber auch sonst der Aufplusterung des „Vize“ widerstehen. Sonst müsste man sich schon jetzt fragen, wie das erst werden soll, falls es je zu einer Ampelkoalition käme. Würden dann gleich zwei Vizekanzler ernannt und wer koordinierte dann diese beiden?

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