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Meinung: Gut verdienen in der Krise

Wichtige deutsche Unternehmen machen Rekordgewinne – aber meist nur im Ausland

Milliardengewinne, zweistellige Wachstumsraten, höhere Dividenden – das gibt es nicht nur jenseits des Atlantiks. Zwei große deutsche Konzerne konnten vergangene Woche zeigen, dass es ihnen mittlerweile richtig gut geht. Die Deutsche Telekom rechnet für dieses Jahr jetzt mit einem Gewinn von 3,2 Milliarden Euro, im Sommer lautete die Prognose noch lediglich 2,4 Milliarden Euro. Davon profitieren werden auch die Aktionäre. Sie erhalten voraussichtlich – nach zwei mageren Jahren ohne Dividende – 62 Cent pro Anteil. Das bedeutet etwa vier Prozent Dividendenrendite, weit mehr als die meisten Banken zurzeit zahlen.

Und dann Siemens. Der Konzern legt im letzten Jahr unter der Führung von Heinrich von Pierer einen Rekordüberschuss vor. Selbst wenn man Gewinne aus dem Verkauf von Beteiligungen herausrechnet, bleibt ein beeindruckendes Plus von 23 Prozent auf drei Milliarden Euro. Telekom und Siemens bilden keine Ausnahmen. Die meisten Firmen des Deutschen Aktienindex haben in den vergangenen Wochen gute Zahlen vorgelegt. Also alles in Butter bei deutschen Unternehmen, in der deutschen Wirtschaft? Hört jetzt endlich die Diskussion über niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, weniger Feiertage auf?

Leider nein, denn die Unternehmenszahlen finden sich nicht in den Wirtschaftsdaten für Deutschland wieder. Gerade einmal um 0,1 Prozent ist dieWirtschaft von Juli bis September im Vergleich zu den drei Monaten davor gewachsen. Und in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres waren es jeweils 0,4 Prozent. Auch nicht gerade berauschend. Deutschland tritt auf der Stelle.

Umsatz- und Gewinnzuwachs auf der einen Seite, eine stagnierende Volkswirtschaft auf der anderen – nur auf den ersten Blick ist das ein Widerspruch. Denn Siemens und Telekom sind zwar immer noch „deutsche“ Unternehmen, weil sie hier ihren Sitz haben. Aber Siemens macht heute mehr als die Hälfte seines Umsatzes im Ausland – und dieser Anteil wächst, weil der deutsche Markt weitgehend stagniert. Dabei hat Siemens immer noch mehr Mitarbeiter in Deutschland als außerhalb – und die deutschen sind nicht immer die billigsten. Im Moment subventionieren also die Mitarbeiter im Ausland im Grunde teilweise die deutschen Arbeitsplätze.

Bei der Telekom wiederum liefert Deutschland die Basis, aber das Wachstum kommt vor allem aus dem Mobilfunkgeschäft im Ausland, besonders in den USA. Das bedeutet: Trotz Milliardengewinn wird der Druck auf die Telekom-Mitarbeiter in Deutschland nicht so schnell nachlassen.

Wie es Unternehmen ergeht, die sich nicht rechtzeitig ins Ausland gewagt haben, zeigt der Handelskonzern Karstadt-Quelle: Krise, Verluste, harte Sanierung. Managementfehler und der schwache Konsum in Deutschland haben zu einer fatalen Lage geführt. Dem größten deutschen Karstadt-Konkurrenten Metro geht es dagegen gut – dank seines starken Auslandsgeschäfts.

Für die deutsche Wirtschaft und ihre Beschäftigten bleibt die Lage schwierig. Rationalisierungen stehen weiter auf der Tagesordnung. Die sichern zwar die Gewinne und damit das Überleben der Unternehmen, aber sie kosten auch Arbeitsplätze. Arbeitslosigkeit ist jedoch teuer für die Gesellschaft, weil auch sie bezahlt werden muss – und sie führt zu dem schwachen Wachstum, wie wir es zurzeit haben, weil die Arbeitslosen als kaufkräftige Konsumenten ausfallen.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Die Investitionen der Unternehmen ziehen langsam an, weil das Ausland immer noch kräftig deutsche Waren bestellt. Erst wenn daraus neue Arbeitsplätze entstehen, geht es mit dem Wachstum auch bei uns wieder aufwärts. Weil sich wieder mehr Menschen mehr leisten können, weil wieder mehr Menschen Mut haben, Geld auszugeben, anstatt es für eine drohende Arbeitslosigkeit zu sparen. Dann passen auch Unternehmensgewinne und Wirtschaftsdaten wieder zusammen.

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