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Meinung: Gute Autos fallen nicht vom Himmel

General Motors schätzt die Lage falsch ein – und verlangt für Opel Geld vom Staat

So sieht es also aus, wenn General Motors sich selbst hilft, statt seine deutsche Tochter zu verkaufen. Opel-Chef Nick Reilly braucht 1,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern, um rund 20 000 Arbeitsplätze in den vier deutschen Werken zu erhalten. Macht pro Arbeitsplatz etwa 75 000 Euro. Lohnt sich die Investition für die Steuerzahler?

Die Rechnung der Amerikaner hat so viele offene Positionen, dass von einem Investitionsvorhaben eigentlich nicht gesprochen werden kann – geschweige denn von einem „Return on Investment“, also einer möglichen Rendite auf das eingesetzte Kapital. Reilly hat pragmatisch-praktisch die wichtigsten Unbekannten in seiner Opel-Rechnung zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert. Aus gutem Grund.

Da wäre zum Beispiel der Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer. Nach Lage der Dinge wird es ihn nicht geben, weil GM das Werk in Antwerpen mit 2600 Beschäftigten schließt. Damit fehlen rund 1,2 Milliarden Euro innerhalb von vier Jahren. „Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern dauern an“, sagt Reilly lapidar. Tatsächlich ist das Klima eisig, die Verhandlungen stocken, ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Die von Reilly charmant behauptete „motivierte Belegschaft“, die „neue Unternehmenskultur“, die „neue Ära“ – eine Fiktion aus dem Manager-Lehrbuch.

Dazu eine Ankündigungspolitik, hinter der sich die zweite große Unbekannte in Reillys Rechnung verbirgt: Verkaufserfolge in der Zukunft. Opel soll in den kommenden vier Jahren elf Milliarden Euro investieren und schon 2012 wieder Gewinne erwirtschaften, aus denen sich die riesigen Investitionen in allerlei neue Modelle speisen sollen. 80 Prozent der Produktpalette sollen erneuert werden. Zu allem Überfluss soll ein weiterer Elektro-Opel neben dem Ampera Modernität demonstrieren. Das gute Abwrackjahr 2009 lässt die Opel-Manager munter träumen.

Autos fallen aber nicht vom Himmel, sie brauchen fünf, sechs Jahre Entwicklungsvorlauf. Vor allem brauchen sie Kunden und neue, wachsende Märkte. In „Studien“, sagt Reilly, prüfe man die Umsetzung „profitabler Exportprogramme“ für den Mittleren Osten und den Asien-Pazifik-Raum. Opel als konzerneigener Wettbewerber für die in Korea preiswert gefertigte Billigmarke Chevrolet? Und der wichtige US-Markt, wo der Staatskonzern GM gerade sein Comeback feiert? Und Russland?

Eine dritte Unbekannte im Opel- Kalkül überlässt Reilly der Politik – und hier wird es kompliziert. Der vorgelegte Plan ist die beste Voraussetzung, um die europäischen Länder mit Opel-Werken gegeneinander auszuspielen. Wer zahlt? Wer lässt es? Wer riskiert den Großkonflikt mit der EU-Kommission, die am Ende alle staatlichen Hilfspakete genehmigen muss? Sorgfältig prüfen wollen nun die Bundesländer und Wirtschaftsminister Brüderle – zum x-ten Mal rückt Opel, 15 Monate nach dem Beginn des Dramas, auf die politische Tagesordnung. GM hat keinen Plan B. Mitte des Jahres, droht Reilly, geht Opel das Geld aus. Im Kanzleramt sollte man sich auf lange Nächte vorbereiten.

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