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Meinung: Gute Prävention, böser Erstschlag Gefährliches Spiel mit Begriffen im Bundestag

Wenn Politiker reden, ist ihnen der Beifall meist noch ein klein wenig wichtiger als Wahrheit und Vernunft. Wofür man Verständnis haben muss.

Wenn Politiker reden, ist ihnen der Beifall meist noch ein klein wenig wichtiger als Wahrheit und Vernunft. Wofür man Verständnis haben muss. Sie wollen sich durchsetzen im Rededuell, müssen Themen und Begriffe besetzen, auch emotional. Dabei helfen verschiedene Tricks. Sehr beliebt ist es, empört Behauptungen zurückzuweisen, die niemand aufgestellt hat. In der Bundestagsdebatte über den Nato-Gipfel klang das bei Rot-Grün zum Beispiel so: Man dürfe den Terror nicht allein militärisch bekämpfen, Krisenprävention bleibe wichtig. Es gibt zwar niemanden, der den Terror nur militärisch bekämpfen möchte und Diplomatie rundweg ablehnt – aber der Eindruck bleibt, die anderen wollten eben doch.

Oder man spielt mit Emotionen und reißt Begriffe aus dem komplizierten Zusammenhang, in den sie gehören. Das hat Wolfgang Schäuble mit seiner Anmerkung getan, gegen einen terroristischen Angriff mit Massenvernichtungswaffen biete die abschreckende Drohung mit dem Zweitschlag – anders als im Kalten Krieg– keinen Schutz. Das ist sachlich völlig richtig. Und ein gezieltes Spiel mit dem Feuer, weil das die Assoziationskette „Erstschlag“, „Ersteinsatz von Atomwaffen“, „Präventivschlag“ auslöst. Und, nicht wahr, das ist doch alles böse und rundheraus abzulehnen.

Kann man in dieser aufgeheizten Stimmung durchdringen mit Aufklärungsversuchen, was solche Begriffe im jeweiligen Zusammenhang eigentlich meinen? Warum die Nato sich aus gutem Grund die Option auf den atomaren Ersteinsatz immer vorbehalten hat (den Gegner über sein Risiko im Unklaren lassen)? Oder dass im Bereich von Kriminalität und Polizei präventives Eingreifen, wenn Mordpläne bekannt werden, zwingend, gut und richtig ist?

Ganz praktisch: Wenn man ziemlich sicher weiß, dass Terroristen einen Anschlag mit chemischen Waffen per Rakete planen und westliche Polizei sie dort, wo sie sind, nicht verhaften kann, ist es dann falsch, sie präventiv anzugreifen, um den Tod Hunderter zu verhindern? Man darf die Option rettender Präventivschläge nicht generell ablehnen. Man muss darauf achten, dass sie nicht missbraucht wird. Durch Kontrolle.

Wetten, dass sich Rot-Grün und Schäuble in solchen Fällen ganz schnell einig wären? Nur in der Theorie lässt sich so schön spalten in Gut und Böse.

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