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Guttenberg

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Guttenberg: Kein Experte? Macht nichts!

Ein guter Minister muss nicht fachkundig sein; er muss sich nur fachkundig machen können und den Wählern sein Tun plausibel vermitteln. Dennoch haben die Recht, die Karl-Theodor zu Guttenberg als Notlösung bezeichnen - denn die Not ist groß bei Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer.

Von Robert Birnbaum

Zu den unausrottbaren Missverständnissen zwischen Politik und Publikum gehört die Idee, ein Minister müsse ausgewiesener Fachmann sein. Dass die Erfahrung mit Experten an Kabinettstischen eher dagegen spricht – zu schweigen von der Erfahrung mit solchen, die es so weit gar nicht erst geschafft haben –, hat diesen Irrtum nie erschüttern können. Ein Irrtum ist es trotzdem. Ein guter Minister muss nicht fachkundig sein; er muss sich nur, und oft in kurzer Zeit, fachkundig machen können. Er muss sich zweitens im Widerstreit der Interessen durchsetzen. Er muss drittens sein Tun der Partei und den Wählern plausibel vermitteln.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat infolgedessen gute Chancen, ein guter Wirtschaftsminister zu werden, obwohl, vielleicht sogar weil er nicht Volkswirtschaft studiert hat. Trotzdem haben natürlich alle die auch recht, die den 37-Jährigen als Notlösung bezeichnen. Die Not war groß für den CSU-Chef und die Kanzlerin, als der alte Kämpe Michael Glos frustriert den Bettel hinwarf. Horst Seehofers Spielraum war minimal. Er hat alle Erfahrenen in der CSU kaltgestellt. Er hat sich selbst durch personalpolitische Gewaltakte in den Zwang hineinmanövriert, den Regionalproporz um jeden Preis zu wahren. Und die Art, in der Glos ging, war eine Misstrauenserklärung an den Menschen und Parteichef Seehofer.

Für Angela Merkel war die Not nicht kleiner. Dass Glos sich von der Kabinettschefin übergangen sah, ist offenkundig. Dass einem überdies auch in der CDU spontan kaum einer einfällt, der der geborene Ersatzmann gewesen wäre, macht den Vorgang für Merkel doppelt peinlich.

Das alles ist richtig, und es wird nachwirken. Guttenberg tritt sein Amt nicht unbeschwert an, sondern vorbelastet. Er wird – zumal in Wahlkampfzeiten – noch mehr als sonst unter Beobachtung stehen: Kann der das? Er muss in der Krise unpopuläre Entscheidungen verantworten. Er muss sich bei Merkel, bei der Wirtschaft, in der eigenen Partei und Fraktion und gegen Peer Steinbrück Respekt erkämpfen. Und er muss sich so weit von Seehofers Krawallkurs emanzipieren, dass er nicht als dessen willfähriger Bundes-Büttel endet.

Aber Politik ist gerne mal ein bisschen dialektisch: Der Größe der Herausforderung entspricht die Größe der Chance. Glos ist von Seehofer und Merkel schäbig behandelt worden. Aber wahr ist auch, dass er der falsche Mann auf diesem Posten war, zuletzt nur noch ein Schatten seiner selbst.

Guttenberg hat die Chance, das Amt aus diesem Schatten rauszuholen und, wenn er es sehr gut macht, die Union ein Stück weit gleich mit. Deren Wirtschaftskompetenz steht ja auch deshalb infrage, weil die Vertreter dieses Flügels so groß im Bejammern ihrer eigenen Einflusslosigkeit sind. Einer, der nicht jammert, ist da schon mal ein Fortschritt. Und als Nächstes muss er dann: sich sachkundig machen, sich durchsetzen, sich erklären. Politik, wie gesagt, ist gerne mal dialektisch: Vorschusslorbeer ist oft schwerer zu tragen als Vorschusszweifel.

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