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Ohne Doktortitel, aber mit voller Rückendeckung der Kanzlerin will Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Plagiatsaffäre durchstehen.

© dpa

Guttenberg und Merkel: Popularität und Täuschung

Der Fluch der bösen Tat, die Guttenberg nicht gesteht, hat rasant zu einem Tiefpunkt der moralischen Verlotterung geführt. Sie habe ihn nicht als wissenschaftlichen Assistenten berufen, sagt Angela Merkel. Ach, wer hätte das gedacht? Ein Kommentar.

Wie der Verteidigungsminister greift nun also auch die Bundeskanzlerin zu unredlichen Kniffen, damit ungestraft durchgeht, was offen zutage liegt. Nämlich Täuschung und Diebstahl, also Rechtsbruch durch den Abgeordneten Guttenberg, den er als Verteidigungsminister vertuscht, wiederum unter fortlaufendem Bruch demokratischer Grund- und Anstandsregeln.

Gibt es nichts Wichtigeres als eine Doktorarbeit, fragen „Bild“, Minister und Kanzlerin. Das gibt es allerdings! Die Guttenberg-Debatte dreht sich in zweiter Linie um akademische Fragen, eben nicht um Fußnoten, sondern um ein erstrangiges Prinzip der Demokratie. Es gäbe sie nicht ohne den Grundsatz, dass über der Macht und ihren Inhabern Gesetz, Recht und Regeln stehen. Wenn er verletzt wird, gibt es in einem demokratischen Gemeinwesen nichts Wichtigeres, als auf seiner Einhaltung zu bestehen. Gerade weil wir wissen, dass Politiker keine Heiligen sind, Macht eine diabolische Versuchung ist und ohnehin zu viele herumlaufen, die sich nicht erwischen lassen.

Guttenberg und die Kanzlerin proben ein neues Schurkenstück. Neuerdings soll der ertappte Regelverletzer einfach weitermachen. Die Kanzlerin will seinen Absturz nicht verantworten. Wie ein Mann verteidigt die angeblich bürgerliche Union den Minister als die von missgünstigen Neidern verfolgte Unschuld. Der gemeinsame Nenner dieses unappetitlichen Feldversuchs heißt Popularität, die Merkel nützt und Guttenberg schützt. Doch wer meint, mit ihrer Hilfe die Macht des Gesetzes über die Mächtigen aushebeln zu können, gibt Wahrheit und Anstand preis und verurteilt sich selbst zu populistischer Demagogie.

Guttenberg hat, absichtsvoll oder aus Schlamperei, geistiges Eigentum gestohlen und seine Universität getäuscht, als er ehrenwörtlich erklärt hat, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwandt zu haben. Um Minister zu bleiben, hilft da nur ein Trick: Das Gegenteil von Klartext sprechen. Seit Tagen liefert Guttenberg ein beschämendes Schauspiel, wie man Moral verbiegen und Begriffe umdeuten kann. Wo Täuschung vorliegt, redet der Minister von „gravierenden handwerklichen Fehlern“. Er stellt sich der „Öffentlichkeit“, die in Wahrheit ein Heimspiel in Kelkheim ist, nachdem er sich vor der verächtlich gemachten „Hauptstadtpresse“, der er auskunftspflichtig ist, feige verdrückt hat. Am letzten Freitag löscht er demonstrativ den Titel von seiner Homepage („ich betone vorübergehend“), am Montag, noch eine Finte, verzichtet er ganz auf den akademischen Grad. Er spricht von Demut, wo tatsächlich Anmaßung stattfindet; einen Doktortitel kann man nicht zurückgeben, er wird verliehen und aberkannt. Er sagt Entschuldigung und betreibt eigenmächtige Entschuldung. Besonders verstörend wirkt, wenn ein Verteidigungsminister die getöteten Soldaten in Afghanistan als argumentativen Schutzschild reklamiert, um von der eigenen Schande nicht ehrlich zu reden.

Es ist der Fluch seiner bösen Tat, dass Guttenberg zur schlimmsten Erscheinung einer Demokratiekrise geworden ist, der er seine Popularität verdankt. Sein strahlender Aufstieg wäre ja nicht denkbar ohne die politischen und medialen Oberschichten, die, selbstvergessen und selbstbezogen, nicht mehr glaubhaft machen können, dass sie zuerst dem Gemeinwohl dienen. Der junge Held darf ein bisschen schummeln, denn es schummeln ja längst und noch viel mehr die grauen Gestalten. Eine große Geste, wenn einer zu seinen Fehlern öffentlich steht, denn lebendiger als die ständig nur taktierenden Politiker ohne erkennbare Ziele wirkt er allemal.

Diese blutleere Politik verkörpert Merkel. Sie ist mit Guttenberg ein Bündnis von Popularität und Täuschungen eingegangen, das von einem zynischen Motto zusammengehalten wird: Das Volk, es will betrogen sein. Ein gefährlicher Moment für die Demokratie, wenn dieses Stück Erfolg hat.

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